Сиддхартха (На немецком языке)
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Siddhartha sah ihn, und er erkannte ihn alsbald, als hXtte ihm ein Gott ihn gezeigt. Er sah ihn, einen schlichten Mann in gelber Kutte, die Almosenschale in der Hand tragend, still dahin gehen.
"Sieh hier!" sagte Siddhartha leise zu Govinda. "Dieser hier ist der Buddha."
Aufmerksam blickte Govinda den MXnch in der gelben Kutte an, der sich in nichts von den Hunderten der MXnche zu unterscheiden schien. Und bald erkannte auch Govinda: Dieser ist es. Und sie folgten ihm nach und betrachteten ihn.
Der Buddha ging seines Weges bescheiden und in Gedanken versunken, sein stilles Gesicht war weder frXhlich noch traurig, es schien leise nach innen zu lXcheln. Mit einem verborgenen LXcheln, still, ruhig, einem gesunden Kinde nicht unXhnlich, wandelte der Buddha, trug das Gewand und setzte den FuX gleich wie alle seine MXnche, nach genauer Vorschrift. Aber sein Gesicht und sein Schritt, sein still gesenkter Blick, seine still herabhXngende Hand, und noch jeder Finger an seiner still herabhXngenden Hand sprach Friede, sprach Vollkommenheit, suchte nicht, ahmte nicht nach, atmete sanft in einer unverwelklichen Ruhe, in einem unverwelklichen Licht, einem unantastbaren Frieden.
So wandelte Gotama, der Stadt entgegen, um Almosen zu sammeln, und die beiden Samanas erkannten ihn einzig an der Vollkommenheit seiner Ruhe, an der Stille seiner Gestalt, in welcher kein Suchen, kein Wollen, kein Nachahmen, kein BemXhen zu erkennen war, nur Licht und Frieden. "Heute werden wir die Lehre aus seinem Munde vernehmen," sagte Govinda.
Siddhartha gab nicht Antwort. Er war wenig neugierig auf die Lehre, er glaubte nicht, dass sie ihn Neues lehren werde, hatte er doch, ebenso wie Govinda, wieder und wieder den Inhalt dieser Buddhalehre vernommen, wenn schon aus Berichten von zweiter und dritter Hand. Aber er blickte aufmerksam auf Gotamas Haupt, auf seine Schultern, auf seine FXe, auf seine still herabhXngende Hand, und ihm schien, jedes Glied an jedem Finger dieser Hand war Lehre, sprach, atmete, duftete, glXnzte Wahrheit. Dieser Mann, dieser Buddha, war wahrhaftig bis in die GebXrde seines letzten Fingers. Dieser Mann war heilig. Nie hatte Siddhartha einen Menschen so verehrt, nie hatte er einen Menschen so geliebt wie diesen.
Die beiden folgten dem Buddha bis zur Stadt und kehrten schweigend zurXck, denn sie selbst gedachten diesen Tag sich der Speise zu enthalten. Sie sahen Gotama wiederkehren, sahen ihn im Kreise seiner JXnger die Mahlzeit einnehmen X was er aX, hXtte keinen Vogel satt gemacht — und sahen ihn sich zurXckziehen in den Schatten der MangobXume.
Am Abend aber, als die Hitze sich legte und alles im Lager lebendig ward und sich versammelte, hXrten sie den Buddha lehren. Sie hXrten seine Stimme, und auch sie war vollkommen, war von vollkommener Ruhe, war voll von Frieden. Gotama lehrte die Lehre vom Leiden, von der Herkunft des Leidens, vom Weg zur Aufhebung des Leidens. Ruhig floss und klar seine stille Rede. Leiden war das Leben, voll Leid war die Welt, aber ErlXsung vom Leid war gefunden: ErlXsung fand, wer den Weg des Buddha ging. Mit sanfter, doch fester Stimme sprach der Erhabene, lehrte die vier HauptsXtze, lehrte den achtfachen Pfad, geduldig ging er den gewohnten Weg der Lehre, der Beispiele, der Wiederholungen, hell und still schwebte seine Stimme Xber den HXrenden, wie ein Licht, wie ein Sternhimmel.
Als der Buddha X es war schon Nacht geworden X seine Rede schloss, traten manche Pilger hervor und baten um Aufnahme in die Gemeinschaft, nahmen ihre Zuflucht zur Lehre. Und Gotama nahm sie auf, indem er sprach: "Wohl habt ihr die Lehre vernommen, wohl ist sie verkXndigt. Tretet denn herzu und wandelt in Heiligkeit, allem Leid ein Ende zu bereiten."
Siehe, da trat auch Govinda hervor, der SchXchterne, und sprach: "Auch ich nehme meine Zuflucht zum Erhabenen und zu seiner Lehre," und bat um Aufnahme in die JXngerschaft, und ward aufgenommen.
Gleich darauf, da sich der Buddha zur Nachtruhe zurXckgezogen hatte, wendete sich Govinda zu Siddhartha und sprach eifrig: "Siddhartha, nicht steht es mir zu, dir einen Vorwurf zu machen. Beide haben wir den Erhabenen gehXrt, beide haben wir die Lehre vernommen. Govinda hat die Lehre gehXrt, er hat seine Zuflucht zu ihr genommen. Du aber, Verehrter, willst denn nicht auch du den Pfad der ErlXsung gehen? Willst du zXgern, willst du noch warten?"
Siddhartha erwachte wie aus einem Schlafe, als er Govindas Worte vernahm. Lange blickte er in Govindas Gesicht. Dann sprach er leise, mit einer Stimme ohne Spott: "Govinda, mein Freund, nun hast du den Schritt getan, nun hast du den Weg erwXhlt. Immer, o Govinda, bist du mein Freund gewesen, immer bist du einen Schritt hinter mir gegangen. Oft habe ich gedacht: Wird Govinda nicht auch einmal einen Schritt allein tun, ohne mich, aus der eigenen Seele? Siehe, nun bist du ein Mann geworden und wXhlst selber deinen Weg. MXgest du ihn zu Ende gehen, o mein Freund! MXgest du ErlXsung finden!"
Govinda, welcher noch nicht vXllig verstand, wiederholte mit einem Ton von Ungeduld seine Frage: "Sprich doch, ich bitte dich, mein Lieber! Sage mir, wie es ja nicht anders sein kann, dass auch du, mein gelehrter Freund, deine Zuflucht zum erhabenen Buddha nehmen wirst!"
Siddhartha legte seine Hand auf die Schulter Govindas: "Du hast meinen Segenswunsch XberhXrt, o Govinda. Ich wiederhole ihn: MXgest du diesen Weg zu Ende gehen! MXgest du ErlXsung finden!"
In diesem Augenblick erkannte Govinda, dass sein Freund ihn verlassen habe, und er begann zu weinen.
"Siddhartha!" rief er klagend.
Siddhartha sprach freundlich zu ihm: "Vergiss nicht, Govinda, dass du nun zu den Samanas des Buddha gehXrst! Abgesagt hast du Heimat und Eltern, abgesagt Herkunft und Eigentum, abgesagt deinem eigenen Willen, abgesagt der Freundschaft. So will es die Lehre, so will es der Erhabene. So hast du selbst es gewollt. Morgen, o Govinda, werde ich dich verlassen."
Lange noch wandelten die Freunde im GehXlz, lange lagen sie und fanden nicht den Schlaf. Und immer von neuem drang Govinda in seinen Freund, er mXge ihm sagen, warum er nicht seine Zuflucht zu Gotamas Lehre nehmen wolle, welchen Fehler denn er in dieser Lehre finde. Siddhartha aber wies ihn jedesmal zurXck und sagte: "Gib dich zufrieden, Govinda! Sehr gut ist des Erhabenen Lehre, wie sollte ich einen Fehler an ihr finden?"
Am frXhesten Morgen ging ein Nachfolger Buddhas, einer seiner Xltesten MXnche, durch den Garten und rief alle jene zu sich, welche als Neulinge ihre Zuflucht zur Lehre genommen hatten, um ihnen das gelbe Gewand anzulegen und sie in den ersten Lehren und Pflichten ihres Standes zu unterweisen. Da riss Govinda sich los, umarmte noch einmal den Freund seiner Jugend und schloss sich dem Zuge der Novizen an.
Siddhartha aber wandelte in Gedanken durch den Hain.
Da begegnete ihm Gotama, der Erhabene, und als er ihn mit Ehrfurcht begrXte und der Blick des Buddha so voll GXte und Stille war, fasste der JXngling Mut und bat den EhrwXrdigen um Erlaubnis, zu ihm zu sprechen. Schweigend nickte der Erhabene GewXhrung.
Sprach Siddhartha: "Gestern, o Erhabener, war es mir vergXnnt, deine wundersame Lehre zu hXren. Zusammen mit meinem Freunde kam ich aus der Ferne her, um die Lehre zu hXren. Und nun wird mein Freund bei den Deinen bleiben, zu dir hat er seine Zuflucht genommen. Ich aber trete meine Pilgerschaft aufs neue an."
"Wie es dir beliebt", sprach der EhrwXrdige hXflich.
"Allzu kXhn ist meine Rede," fuhr Siddhartha fort, "aber ich mXchte den Erhabenen nicht verlassen, ohne ihm meine Gedanken in Aufrichtigkeit mitgeteilt zu haben. Will mir der EhrwXrdige noch einen Augenblick GehXr schenken?"
Schweigend nickte der Buddha GewXhrung.
Sprach Siddhartha: "Eines, o EhrwXrdigster, habe ich an deiner Lehre vor allem bewundert. Alles in deiner Lehre ist vollkommen klar, ist bewiesen; als eine vollkommene, als eine nie und nirgends unterbrochene Kette zeigst du die Welt als eine ewige Kette, gefXgt aus Ursachen und Wirkungen. Niemals ist dies so klar gesehen, nie so unwiderleglich dargestellt worden; hXher wahrlich muss jedem Brahmanen das Herz im Leibe schlagen, wenn er, durch deine Lehre hindurch, die Welt erblickt als vollkommenen Zusammenhang, lXckenlos, klar wie ein Kristall, nicht vom Zufall abhXngig, nicht von GXttern abhXngig. Ob sie gut oder bXse, ob das Leben in ihr Leid oder Freude sei, mXge dahingestellt bleiben, es mag vielleicht sein, dass dies nicht wesentlich ist X aber die Einheit der Welt, der Zusammenhang alles Geschehens, das Umschlossensein alles GroXen und Kleinen vom selben Strome, vom selben Gesetz der Ursachen, des Werdens und des Sterbens, dies leuchtet hell aus deiner erhabenen Lehre, o Vollendeter. Nun aber ist, deiner selben Lehre nach, diese Einheit und Folgerichtigkeit aller Dinge dennoch an einer Stelle unterbrochen, durch eine kleine LXcke strXmt in diese Welt der Einheit etwas Fremdes, etwas Neues, etwas, das vorher nicht war, und das nicht gezeigt und nicht bewiesen werden kann: das ist deine Lehre von der Xberwindung der Welt, von der ErlXsung. Mit dieser kleinen LXcke, mit dieser kleinen Durchbrechung aber ist das ganze ewige und einheitliche Weltgesetz wieder zerbrochen und aufgehoben. MXgest du mir verzeihen, wenn ich diesen Einwand ausspreche."