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ЖАНРЫ

1913 Созерцание (сборник)
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Hinter Geb"uschen in der Ferne fuhr ein Eisenbahnzug heraus, alle Coup'ees waren beleuchtet, die Glasfenster sicher herabgelassen. Einer von uns begann einen Gassenhauer zu singen, aber wir alle wollten singen. Wir sangen viel rascher als der Zug fuhr, wir schaukelten die Arme, weil die Stimme nicht gen"ugte, wir kamen mit unseren Stimmen in ein Gedr"ange, in dem uns wohl war. Wenn man seine Stimme unter andere mischt, ist man wie mit einem Angelhaken gefangen.

So sangen wir, den Wald im R"ucken, den fernen Reisenden in die Ohren. Die Erwachsenen wachten noch im Dorfe, die M"utter richteten die Betten f"ur die Nacht.

Es war schon Zeit. Ich k"usste den, der bei mir stand, reichte den drei N"achsten nur so die H"ande, begann den Weg zur"uckzulaufen, keiner rief mich. Bei der ersten Kreuzung, wo sie mich nicht mehr sehen konnten, bog ich ein und lief auf Feldwegen wieder in den Wald. Ich strebte zu der Stadt im S"uden hin, von der es in unserem Dorfe hiess:

»Dort sind Leute! Denkt Euch, die schlafen nicht!«

»Und warum denn nicht?«

»Weil sie nicht m"ude werden.«

»Und warum denn nicht?«

»Weil sie Narren sind.«

»Werden denn Narren nicht m"ude?«

»Wie k"onnten Narren m"ude werden!«

2. ENTLARVUNG EINES BAUERNF"ANGERS

Endlich gegen 10 Uhr abends kam ich mit einem mir von fr"uher her nur fl"uchtig bekannten Mann, der sich mir diesmal unversehens wieder angeschlossen und mich zwei Stunden lang in den Gassen herumgezogen hatte, vor dem herrschaftlichen Hause an, in das ich zu einer Gesellschaft geladen war.

»So!« sagte ich und klatschte in die H"ande zum Zeichen der unbedingten Notwendigkeit des Abschieds. Weniger bestimmte Versuche hatte ich schon einige gemacht. Ich war schon ganz m"ude.

»Gehn Sie gleich hinauf?« fragte er. In seinem Munde h"orte ich ein Ger"ausch wie vom Aneinanderschlagen der Z"ahne.

»Ja.«

Ich war doch eingeladen, ich hatte es ihm gleich gesagt. Aber ich war eingeladen, hinaufzukommen, wo ich schon so gerne gewesen w"are, und nicht hier unten vor dem Tor zu stehn und an den Ohren meines Gegen"ubers vor"uberzuschauen. Und jetzt noch mit ihm stumm zu werden, als seien wir zu einem langen Aufenthalt auf diesem Fleck entschlossen. Dabei nahmen an diesem Schweigen gleich die H"auser rings herum ihren Anteil, und das Dunkel "uber ihnen bis zu den Sternen. Und die Schritte unsichtbarer Spazierg"anger, deren Wege zu erraten man nicht Lust hatte, der Wind, der immer wieder an die gegen"uberliegende Strassenseite sich dr"uckte, ein Grammophon, das gegen die geschlossenen Fenster irgendeines Zimmers sang, – sie liessen aus diesem Schweigen sich h"oren, als sei es ihr Eigentum seit jeher und f"ur immer.

Und mein Begleiter f"ugte sich in seinem und – nach einem L"acheln – auch in meinem Namen, streckte die Mauer entlang den rechten Arm aufw"arts und lehnte sein Gesicht, die Augen schliessend, an ihn.

Doch dieses L"acheln sah ich nicht mehr ganz zu Ende, denn Scham drehte mich pl"otzlich herum. Erst an diesem L"acheln also hatte ich erkannt, dass das ein Bauernf"anger war, nichts weiter. Und ich war doch schon Monate lang in dieser Stadt, hatte geglaubt, diese Bauernf"anger durch und durch zu kennen, wie sie bei Nacht aus Seitenstrassen, die H"ande vorgestreckt, wie Gastwirte uns entgegentreten, wie sie sich um die Anschlags"aule, bei der wir stehen, herumdr"ucken, wie zum Versteckenspielen und hinter der S"aulenrundung hervor zumindest mit einem Auge spionieren, wie sie in Strassenkreuzungen, wenn wir "angstlich werden, auf einmal vor uns schweben auf der Kante unseres Trottoirs! Ich verstand sie doch so gut, sie waren ja meine ersten st"adtischen Bekannten in den kleinen Wirtsh"ausern gewesen, und ich verdankte ihnen den ersten Anblick einer Unnachgiebigkeit, die ich mir jetzt so wenig von der Erde wegdenken konnte, dass ich sie schon in mir zu f"uhlen begann. Wie standen sie einem noch gegen"uber, selbst wenn man ihnen schon l"angst entlaufen war, wenn es also l"angst nichts mehr zu fangen gab! Wie setzten sie sich nicht, wie fielen sie nicht hin, sondern sahen einen mit Blicken an, die noch immer, wenn auch nur aus der Ferne, "uberzeugten! Und ihre Mittel waren stets die gleichen: Sie stellten sich vor uns hin, so breit sie konnten; suchten uns abzuhalten von dort, wohin wir strebten; bereiteten uns zum Ersatz eine Wohnung in ihrer eigenen Brust, und b"aumte sich endlich das gesammelte Gef"uhl in uns auf, nahmen sie es als Umarmung, in die sie sich warfen, das Gesicht voran.

Und diese alten Sp"asse hatte ich diesmal erst nach so langem Beisammensein erkannt. Ich zerrieb mir die Fingerspitzen an einander, um die Schande ungeschehen zu machen.

Mein Mann aber lehnte hier noch wie fr"uher, hielt sich noch immer f"ur einen Bauernf"anger, und die Zufriedenheit mit seinem Schicksal r"otete ihm die freie Wange.

»Erkannt!« sagte ich und klopfte ihm noch leicht auf die Schulter. Dann eilte ich die Treppe hinauf und die so grundlos treuen Gesichter der Dienerschaft oben im Vorzimmer freuten mich wie eine sch"one "Uberraschung. Ich sah sie alle der Reihe nach an, w"ahrend man mir den Mantel abnahm und die Stiefel abstaubte. Aufatmend und langgestreckt betrat ich dann den Saal.

3. DER PL"OTZLICHE SPAZIERGANG

Wenn man sich am Abend endg"ultig entschlossen zu haben scheint, zu Hause zu bleiben, den Hausrock angezogen hat, nach dem Nachtmahl beim beleuchteten Tische sitzt und jene Arbeit oder jenes Spiel vorgenommen hat, nach dessen Beendigung man gewohnheitsgem"ass schlafen geht, wenn draussen ein unfreundliches Wetter ist, welches das Zuhausebleiben selbstverst"andlich macht, wenn man jetzt auch schon so lange bei Tisch stillgehalten hat, dass das Weggehen allgemeines Erstaunen hervorrufen m"usste, wenn nun auch schon das Treppenhaus dunkel und das Haustor gesperrt ist, und wenn man nun trotz alledem in einem pl"otzlichen Unbehagen aufsteht, den Rock wechselt, sofort strassenm"assig angezogen erscheint, weggehen zu m"ussen erkl"art, es nach kurzem Abschied auch tut, je nach der Schnelligkeit, mit der man die Wohnungst"ur zuschl"agt, mehr oder weniger "Arger zu hinterlassen glaubt, wenn man sich auf der Gasse wiederfindet, mit Gliedern, die diese schon unerwartete Freiheit, die man ihnen verschafft hat, mit besonderer Beweglichkeit beantworten, wenn man durch diesen einen Entschluss alle Entschlussf"ahigkeit in sich gesammelt f"uhlt, wenn man mit gr"osserer als der gew"ohnlichen Bedeutung erkennt, dass man ja mehr Kraft als Bed"urfnis hat, die schnellste Ver"anderung leicht zu bewirken und zu ertragen, und wenn man so die langen Gassen hinl"auft, – dann ist man f"ur diesen Abend g"anzlich aus seiner Familie ausgetreten, die ins Wesenlose abschwenkt, w"ahrend man selbst, ganz fest, schwarz vor Umrissenheit, hinten die Schenkel schlagend, sich zu seiner wahren Gestalt erhebt.

Verst"arkt wird alles noch, wenn man zu dieser sp"aten Abendzeit einen Freund aufsucht, um nachzusehen, wie es ihm geht.

4. ENTSCHL"USSE

Aus einem elenden Zustand sich zu erheben, muss selbst mit gewollter Energie leicht sein. Ich reisse mich vom Sessel los, umlaufe den Tisch, mache Kopf und Hals beweglich, bringe Feuer in die Augen, spanne die Muskeln um sie herum. Arbeite jedem Gef"uhl entgegen, begr"usse A. st"urmisch, wenn er jetzt kommen wird, dulde B. freundlich in meinem Zimmer, ziehe bei C. alles, was gesagt wird, trotz Schmerz und M"uhe mit langen Z"ugen in mich hinein.

Aber selbst wenn es so geht, wird mit jedem Fehler, der nicht ausbleiben kann, das Ganze, das Leichte und das Schwere, stocken, und ich werde mich im Kreise zur"uckdrehen m"ussen.

Deshalb bleibt doch der beste Rat, alles hinzunehmen, als schwere Masse sich verhalten und f"uhle man sich selbst fortgeblasen, keinen unn"otigen Schritt sich ablocken lassen, den anderen mit Tierblick anschaun, keine Reue f"uhlen, kurz, das, was vom Leben als Gespenst noch "ubrig ist, mit eigener Hand niederdr"ucken, d. h., die letzte grabm"assige Ruhe noch vermehren und nichts ausser ihr mehr bestehen lassen.

Eine charakteristische Bewegung eines solchen Zustandes ist das Hinfahren des kleinen Fingers "uber die Augenbrauen.

5. DER AUSFLUG INS GEBIRGE

»Ich weiss nicht«, rief ich ohne Klang,

»ich weiss ja nicht. Wenn niemand kommt, dann kommt eben niemand. Ich habe niemandem etwas B"oses getan, niemand hat mir etwas B"oses getan, niemand aber will mir helfen. Lauter niemand. Aber so ist es doch nicht. Nur dass mir niemand hilft –, sonst w"are lauter niemand h"ubsch. Ich w"urde ganz gern – warum denn nicht – einen Ausflug mit einer Gesellschaft von lauter Niemand machen. Nat"urlich ins Gebirge, wohin denn sonst? Wie sich diese Niemand aneinander dr"angen, diese vielen quer gestreckten und eingeh"angten Arme, diese vielen F"usse, durch winzige Schritte getrennt! Versteht sich, dass alle in Frack sind. Wir gehen so lala, der Wind f"ahrt durch die L"ucken, die wir und unsere Gliedmassen offen lassen. Die H"alse werden im Gebirge frei! Es ist ein Wunder, dass wir nicht singen.«

6. DAS UNGL"UCK DES JUNGGESELLEN

Es scheint so arg, Junggeselle zu bleiben, als alter Mann unter schwerer Wahrung der W"urde um Aufnahme zu bitten, wenn man einen Abend mit Menschen verbringen will, krank zu sein und aus dem Winkel seines Bettes wochenlang das leere Zimmer anzusehn, immer vor dem Haustor Abschied zu nehmen, niemals neben seiner Frau sich die Treppe hinaufzudr"angen, in seinem Zimmer nur Seitent"uren zu haben, die in fremde Wohnungen f"uhren, sein Nachtmahl in einer Hand nach Hause zu tragen, fremde Kinder anstaunen zu m"ussen und nicht immerfort wiederholen zu d"urfen: »Ich habe keine«, sich im Aussehn und Benehmen nach ein oder zwei Junggesellen der Jugenderinnerungen auszubilden.

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