1913 Созерцание (сборник)
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Und endlich, d"urfen wir nicht m"ude sein, haben wir nicht soviel Wein getrunken? Wir sind froh, dass wir auch den zweiten nicht mehr sehn.
11. DER FAHRGAST
Ich stehe auf der Plattform des elektrischen Wagens und bin vollst"andig unsicher in R"ucksicht meiner Stellung in dieser Welt, in dieser Stadt, in meiner Familie. Auch nicht beil"aufig k"onnte ich angeben, welche Anspr"uche ich in irgendeiner Richtung mit Recht vorbringen k"onnte. Ich kann es gar nicht verteidigen, dass ich auf dieser Plattform stehe, mich an dieser Schlinge halte, von diesem Wagen mich tragen lasse, dass Leute dem Wagen ausweichen oder still gehn oder vor den Schaufenstern ruhn. – Niemand verlangt es ja von mir, aber das ist gleichg"ultig.
Der Wagen n"ahert sich einer Haltestelle, ein M"adchen stellt sich nahe den Stufen, zum Aussteigen bereit. Sie erscheint mir so deutlich, als ob ich sie betastet h"atte. Sie ist schwarz gekleidet, die Rockfalten bewegen sich fast nicht, die Bluse ist knapp und hat einen Kragen aus weisser kleinmaschiger Spitze, die linke Hand h"alt sie flach an die Wand, der Schirm in ihrer Rechten steht auf der zweitobersten Stufe. Ihr Gesicht ist braun, die Nase, an den Seiten schwach gepresst, schliesst rund und breit ab. Sie hat viel braunes Haar und verwehte H"archen an der rechten Schl"afe. Ihr kleines Ohr liegt eng an, doch sehe ich, da ich nahe stehe, den ganzen R"ucken der rechten Ohrmuschel und den Schatten an der Wurzel.
Ich fragte mich damals: Wieso kommt es, dass sie nicht "uber sich verwundert ist, dass sie den Mund geschlossen h"alt und nichts dergleichen sagt?
12. KLEIDER
Oft wenn ich Kleider mit vielfachen Falten, R"uschen und Beh"angen sehe, die "uber sch"onen K"orper sch"on sich legen, dann denke ich, dass sie nicht lange so erhalten bleiben, sondern Falten bekommen, nicht mehr gerade zu gl"atten, Staub bekommen, der, dick in der Verzierung, nicht mehr zu entfernen ist, und dass niemand so traurig und l"acherlich sich wird machen wollen, t"aglich das gleiche kostbare Kleid fr"uh anzulegen und abends auszuziehn.
Doch sehe ich M"adchen, die wohl sch"on sind und vielfache reizende Muskeln und Kn"ochelchen und gespannte Haut und Massen d"unner Haare zeigen, und doch tagt"aglich in diesem einen nat"urlichen Maskenanzug erscheinen, immer das gleiche Gesicht in die gleichen Handfl"achen legen und von ihrem Spiegel widerscheinen lassen.
Nur manchmal am Abend, wenn sie sp"at von einem Feste kommen, scheint es ihnen im Spiegel abgen"utzt, gedunsen, verstaubt, von allen schon gesehn und kaum mehr tragbar.
13. DIE ABWEISUNG
Wenn ich einem sch"onen M"adchen begegne und sie bitte:
»Du bist kein Herzog mit fliegendem Namen, kein breiter Amerikaner mit indianischem Wuchs, mit wagrecht ruhenden Augen, mit einer von der Luft der Rasenpl"atze und der sie durchstr"omenden Fl"usse massierten Haut, Du hast keine Reisen gemacht zu den grossen Seen und auf ihnen, die ich weiss nicht wo zu finden sind. Also ich bitte, warum soll ich, ein sch"ones M"adchen, mit Dir gehn?«
»Du vergisst, Dich tr"agt kein Automobil in langen St"ossen schaukelnd durch die Gasse; ich sehe nicht die in ihre Kleider gepressten Herren Deines Gefolges, die Segenspr"uche f"ur Dich murmelnd in genauem Halbkreis hinter Dir gehn; Deine Br"uste sind im Mieder gut geordnet, aber Deine Schenkel und H"uften entsch"adigen sich f"ur jene Enthaltsamkeit; Du tr"agst ein Taffetkleid mit plissierten Falten, wie es im vorigen Herbste uns durchaus allen Freude machte, und doch l"achelst Du – diese Lebensgefahr auf dem Leibe – bisweilen.«
»Ja, wir haben beide recht und, um uns dessen nicht unwiderleglich bewusst zu werden, wollen wir, nicht wahr, lieber jeder allein nach Hause gehn.«
14. ZUM NACHDENKEN F"UR HERRENREITER
Nichts, wenn man es "uberlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen.
Der Ruhm, als der beste Reiter eines Landes anerkannt zu werden, freut beim Losgehn des Orchesters zu stark, als dass sich am Morgen danach die Reue verhindern liesse.
Der Neid der Gegner, listiger, ziemlich einflussreicher Leute, muss uns in dem engen Spalier schmerzen, das wir nun durchreiten nach jener Ebene, die bald vor uns leer war bis auf einige "uberrundete Reiter, die klein gegen den Rand des Horizonts anritten.
Viele unserer Freunde eilen den Gewinn zu beheben und nur "uber die Schultern weg schreien sie von den entlegenen Schaltern ihr Hurra zu uns; die besten Freunde aber haben gar nicht auf unser Pferd gesetzt, da sie f"urchteten, k"ame es zum Verluste, m"ussten sie uns b"ose sein, nun aber, da unser Pferd das erste war und sie nichts gewonnen haben, drehn sie sich um, wenn wir vor"uberkommen und schauen lieber die Trib"unen entlang.
Die Konkurrenten r"uckw"arts, fest im Sattel, suchen das Ungl"uck zu "uberblicken, das sie getroffen hat, und das Unrecht, das ihnen irgendwie zugef"ugt wird; sie nehmen ein frisches Aussehen an, als m"usse ein neues Rennen anfangen und ein ernsthaftes nach diesem Kinderspiel.
Vielen Damen scheint der Sieger l"acherlich, weil er sich aufbl"aht und doch nicht weiss, was anzufangen mit dem ewigen H"andesch"utteln, Salutieren, Sich-Niederbeugen und In-die-Ferne-Gr"ussen, w"ahrend die Besiegten den Mund geschlossen haben und die H"alse ihrer meist wiehernden Pferde leichthin klopfen.
Endlich f"angt es gar aus dem tr"ub gewordenen Himmel zu regnen an.
15. DAS GASSENFENSTER
Wer verlassen lebt und sich doch hie und da irgendwo anschliessen m"ochte, wer mit R"ucksicht auf die Ver"anderungen der Tageszeit, der Witterung, der Berufsverh"altnisse und dergleichen ohne weiteres irgend einen beliebigen Arm sehen will, an dem er sich halten k"onnte, – der wird es ohne ein Gassenfenster nicht lange treiben. Und steht es mit ihm so, dass er gar nichts sucht und nur als m"uder Mann, die Augen auf und ab zwischen Publikum und Himmel, an seine Fensterbr"ustung tritt, und er will nicht und hat ein wenig den Kopf zur"uckgeneigt, so reissen ihn doch unten die Pferde mit in ihr Gefolge von Wagen und L"arm und damit endlich der menschlichen Eintracht zu.
16. WUNSCH, INDIANER ZU WERDEN
Wenn man doch ein Indianer w"are, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte "uber dem zitternden Boden, bis man die Sporen liess, denn es gab keine Sporen, bis man die Z"ugel wegwarf, denn es gab keine Z"ugel, und kaum das Land vor sich als glatt gem"ahte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf.
17. DIE B"AUME
Denn wir sind wie Baumst"amme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoss sollte man sie wegschieben k"onnen. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.