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ЖАНРЫ

Том 2. «Проблемы творчества Достоевского», 1929. Статьи о Л.Толстом, 1929. Записи курса лекций по истории русской литературы, 1922-1927

Бахтин Михаил Михайлович

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«Sowohl sein Leibbewußt sein, als sein stets wesensmäßig individuelles geistiges Personzentrum hat jeder Mensch für sich allein» (Seite 36).

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«Mitleiden, sahen wir, ist Leiden am Leiden des Anderen als dieses Anderen. Dies 'als des Anderen' gehört in den phänomenologischen Tatbestand hinein. Von irgendeiner Art Einsfühlung oder Identifizierung mit dem Anderen, oder meines Leidens mit seinem Leiden ist in keinem Falle die Rede» (Seite 40).

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«Das Auszeichnende dieses Typus liegt aber besonders im Verhalten zu uns selbst und den Werturteilen gegenüber unseren Interessen, unseren Willensakten, unseren Handlungen, ja unserem Sein. Dieses Verhalten und diese Beurteilung wird nun nur mehr abhängig bestimmt von den wechselnden Bildern, die dieser Andere von uns hat, haben mag und kundgibt; wir fühlen uns gut, wenn wir 'vor ihm' es sind, 'schlecht', wenn wir 'vor ihm' schlecht sind. Auch unsere Willensakte und Handlungen werden bestimmt von den immanenten Forderungen, die in seinem Bilde vor uns liegen. Dieses sein Bild von uns ist uns dann nicht — wie im normalen Falle — eine Folge unseres spontan hervorquellenden Tuns und Lebens, das wir dann — sekundär — auch wieder rezeptiv aufnehmen — uns z.B. freuend über seine 'Zustimmung', sondern es ist umgekehrt unser Tun und Leben, das ganz und gar abhängig von den wechselnden Bildern wird, die Jener von uns hat. Damit entseht ein rein 'reaktiver Lebenstypus', der schon als reaktiver ein ethisch niedriger ist. Charakteristisch ist dies Verhalten der Gesellschaft gegenüber für den abnorm 'Eitlen', der — im Gegensatz zum 'Stolzen' — ganz der Sklave der fremden Beachtung, des fremden Urteils ist, der sich erst als 'gesehen, bemerkt, beachtet' selbst als moralisch-'existent' fühlt und dem seine 'Rolle', die er spielt, völlig das eigene Selbst, seine Wünsche und Gefühle verbirgt»] (Seite <47>48).

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«Auch bei gewissen Psychosen bildet sich häufig eine Spielform des charakterisierten allgemeinen Verhaltens aus: Es ist die große Abhängigkeit alles Verhaltens, Denkens, Tuns vom 'Zuschauer' und dem 'vermeinten' Eindruck auf ihn, der für die Hysterie so besonders in die Augen springend ist. Die Anwesenheit des Zuschauers verdrängt hier sofort das natürliche 'Beisichselbstsein' und setzt für den Kranken an Stelle seines Ichs und seines Selbstgefühls sein eigenes Bild im Zuschauer und dessen Wertvorzugsgesetze der Beurteilung. Auf dieses Bild hingerichtet und auf die Gemütsbewegungen, die es auslöst, redet er nun, 'benimmt er sich', 'handelt er': Ißt z.B. nichts, tötet sich unter Umstanden. Dies bloß 'gesteigerte Eitelkeit', 'Schauspielern', 'Koketterie' des Kranken zu nennen — wie manche Lehrbücher der Psychiatrie tun — wäre irrig. Der Eitle, der schauspielerische Mensch, die Kokette fühlen neben dem Bild, das sie bieten, immer noch, daß sie es sind, die es bieten. Sie pendeln gleichsam zwischen ihrem Ich und seinen realen Icherlebnissen und jenem Bilde hin und her. Der Kranke aber lebt in diesem Bild; das mögliche Bild seines Ich schiebt sich für ihn an Stelle des eigenen Ich. Die vermeinten jeweilig vollzogenen Bildvariationen, die er — in den Anderen hineingerissen — wahrzunehmen glaubt, bilden das jeweilig Determinierende für den Ablauf seines realen Erlebens, Ausdrückens, Handelns; nicht aber 'will' er erst dieses Bild-Variationen bewußt hervorbringen, um darauf mit dem Gefühl des angenehmen zu reagieren. Darum wird ein solcher Kranker nicht bloß — wie jener noch normale 'erste Schauspieler' — etwa eine unglückliche Miene zur Schau tragen, um das Mitleid des Anderen hervorzurufen, oder eine fröhliche, um ihn zu erfreuen; sondern er wird im ersten Falle sich selbst auch jeden beliebig großen Schmerz wirklich zufügen, eventuell sich wirklich töten; wirklich in heftige Lustigkeit geraten usw.; aber doch nur ganz abhängig vom Zuschauer und seiner Anwesenheit. Das tut der Eitle, der Schauspieler, die Kokette eben darum nicht, da sie ihr Ichbewußtsein nicht verlieren und nur zwischen ihren realen Zuständen und dem fremden Bilde 'pendeln'» (Seite <48>49).

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«Ohne ein gewisses Selbstgefühl und Selbstwertgefühl — das nicht erst vom Eindruck auf Andere abgeleitet ist, sondern ursprünglich ist — kann der Mensch nicht sittlich leben» (Seite 50).

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«Entscheidend für strikte Ablehnung der metaphysisch — monistischen Theorien ist für uns die Tatsache, daß die 'Distanz' der Personen und ihr einseitiges Verschiedenheitsbewußtsein im echten Mitgefühl, und zwar in seinen beiden Komponenten 'Nachfühlen' und 'Mitgefühl' (im engeren Sinne) durchaus phänomenal erhalten bleibt. Gerade das (echte) Mitgefühl ist weder Ansteckung noch Einsgefühl. Selbst im Miteinanderleiden 'desselben' Unwertverhaltes und 'derselben' Qualität des Gefühlszustandes — also in dem extremen Fall von Mitgefühl, in dem Nachfühlen und Mitgefühl noch ungeschieden sind, bleiben die Funktionen des 'Fühlens von Etwas' verschieden und ist das Verschiedenheitsbewußtsein ihres getrennten Ausgangspunktes (von 2 oder 3 oder x) individuellen Ichen her im Phänomen mitgegeben» (Seite 75).

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«So ist das absolute Individuum wie die absolut intime Person im Menschen im Sinne des Verstehens wesensm((ig transi n — telligibel (nicht also nur 'arational' und 'ineffabile'). Nur das evidente Wissen um den Bestand des absoluten Individuums X und der Sphäre der absolut intimen Person Y besteht noch im Erlebnis selbst — ohne daß dieses X und Y je mit letztem Verständis gehalt ausgefüllt werden kann. Der alte englische Scherz, daß — wenn Herr 'Müller' und Herr 'Meier' miteinander sprechen, immer nur Müllers Müller mit Meiers Meier, dazu Müller immer nur zu Müllers Meier, Meier immer nur zu Meiers Müller spricht, während den 'wirklichen' Müller und Meier und den 'ganzen' Sinn ihres Gesprächs nur der allwissende Gott voll überschaut und gleichsam hört, ist leider etwas mehr als ein schlechter Scherz. Eis kommt ihm wörtliche Wahrheit zu. Daß aber diese phänomenalen Tatsachen eine monistische Deutung des Mitgefühls streng ausschließen, ist ohne weiteres selbstverständlich»] (Seite 78).

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«Das sittliche Bewußtsein bestimmt mit — mindestens — gleicher Ursprünglichkeit ein bestimmtes wertvolles und (ideal) seinsollendes Verhältnis jedes Menschen zu Gott und zu sich selbst (z.B. echte Eigenwerte und Pflichten zu Gott und zu sich selbst), als es Verhältnisse zu Anderen und zur Gemeinschaft bestimmt. Das sittliche Phänomen ist keine wesentlich oder gar ausschließlich 'soziale' Erscheinung. Es bliebe auch, wenn die Sozietät wegfiele, bestehen. Das Verhältnis zu Anderen oder zur Gemeinschaft ist dem Bestände des sittlichen Phänomens überhaupt nicht wesentlich. Erst wenn und soweit es Gemeinschaft gibt, — gewiß kann deren Bestand überhaupt zugleich eine mit dem vernünftigen Bewußtsein selbst schon gesetzte Wesenswahrheit sein, nicht ein bloß zufälliges Faktum und ist es auch nach unserer oft ausgesprochenen Meinung — liegen in ihn auch notwendige Forderungen, die sich auf unser Werthalten und Verhalten zur Gemeinschaft beziehen. Der Kern aber aller theoretischen Ethik, die Lehre von der objektiven Rangordnung der Werte kann ohne jeden Hinblick auf den Bestand der Tatsache 'Ich und Andere', 'Individuum und GesellschafV aufgebaut werden und gilt für den Menschen als Menschen — also auch für den Einzelnen und für die Gemeinschaften (Kollektiva jeder Art). Jede soziale Fundierung der Begründung der Ethik ist auf strengste abzulehnen — damit auch jede Fundierung in einer Metaphysik des sozialen Phänomens und der etwa hinter ihm liegenden realen 'Ganzheit'»] (Seite <84->85).

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«Der "Geist", 'voũς' ist weder als erkennender, schauender und denkender, noch als emotionaler und volitiver "Geist" eine "Blüte des Lebens", eine "Sublimierung" des Lebens; keine Art und Form no-etischer Gesetzmäßigkeit läßt sich auf die biopsychische Gesetzmäßigkeit der automatischen und (objektiv) teleoklinen Prozesse 'zurückführen'; jede ist 'autonom'. Die Erkenntniswerte, die ethischen und ästhetischen Werte sind ferner keine Unterarten von Vitalwerten» (Seite 88).

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«[Demgemäßhalten wir jede Lehre, die "Personen", d.h. konkrete geistige Aktzentren als 'Modi', 'Funktionen' eines Allgeistes, eines absolut unbewußten Geistes (v. Hartmann), eines transzendentalen absoluten Bewußtseins (Husserl), einer transzendentalen Vernunft

(Fichte, Hegels 'Vernunftpantheismus') seit Averroes verstehen will, für den größten aller metaphysischen Irrtümer. Die menschliche Person ist nicht erst individuiert durch den Leib, der vielmehr in letzter Linie selbst nur als ihr, der Person 'zugehörig', als ihr unmittelbarster Herrschbereich aus allen möglichen Leibern ausgesondert werden kann; und sie ist nicht individuiert durch den Gehalt ihrer Akte und deren Inhalte und Gegenstände oder den Erinnerungs-oder sonstigen zeitlichen 'Zusammenhang' ihrer Erlebnisse, sondern dieser gesamte Gehalt und Zusammenhang des Erlebnisstromes ist ja auch schon dadurch ein inhaltlich verschiedener, daß die in sich individuierten Personen in ihrem Sosein verschieden sind, denen er zugehört. Also ist die Person 'erhoben' und ihrer Reinheit 'erhaben' über ihren Leib und über ihr und jedes 'Leben', das nur irdische Daseinsbedingung und zugleich Materie ihrer Gestaltung ist» (Seite 88–89).

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«Der religiöse 'Glaube' ist ja stets und immer ein 'Glauben an', nie ein bloßes 'Glauben, daß' — zwei grundverschiedene Dinge. Und soll ich sagen, was denn dieser 'Glaube an' eine charismatische Person eigentlich sei — im Unterschied von allen Glauben von Sachverhalten (dem Glauben, daß…), so finde ich keine andere Charakteristik als eben das, was wir geistig praktische Selbstidentifizierung mit einer Person — volles Sichselbsteinsetzen für sie und in sie nennen: Einssetzung der Personsubstanz hat Einsdenkung, Einswollung, Eins-fühlung dann allererst im Gefolge — und damit Um- und Einbildung des eigenen Selbst im Wesen und Gestalt des Meisters; eine dauernde dynamische Kette von immer neuen Gestaltreproduktionen der geistigen Gestalt des Meisters im Material der eigenen psychischen Gegebenheiten — vergleichbar der transversalen Wellenbewegung, bei der die Wellenge stalt auf immer neue Wasserteilchen übertragen wird» (Seite 101–102).

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«Daß solcher 'Glaube an' als Geschenk, als Gnade, als Verliehen — nicht als spontane Leistung der Person — erlebt werden muß, ist — wenn man sein Wesen einmal verstanden hat — ein geradezu analytischer Satz. Das Ergriffenwerden, Gepakt-, überwältigtwerden durch die Wesensgestalt des Meisters ist hier so mächtig, daß der Akt der Zustimmung, der freilich ontisch in jedem 'Glauben an' liegt, in keiner Weise zu reflexivem Bewußtsein kommt. Gnadenwahl ist dann nur eine fragwürdige theologisch-metaphysische Rationalisierung dieses Grunderlebnisses des lebendigen Glaubensursprungs» (Seite 102).

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«Viel Gutes darüber bei D.v.Hildebrand in: 'Der Geist des hl. Franziskus und der dritte Orden', München 1921. Ferner neuerdings L.Ziegler: 'Gestaltwandel der Götter', I. Bd.; das Kapitel über den 'Weg der Nachfolge'; die Charakteristik des Franz v. Assisi ist besonders gut geraten» (Seite 103).

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«2. Joh. Jörgensen: 'Der heilige Franz von Assisi'» (Seite 105).

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«Gutes Material zu einer Geschichtsphilosophie dieser abendländischen Gemütsgestalten enthalten die Werke 'Drei Stufen der Erotik' von E.Lucka und neuerdings das fleißige, ausgezeichnet gearbeitete, dankenswerte Werk von Paul Kluckhohn: 'Das Problem der Liebe im 18. Jahrhundert und in der deutschen Romantik.' Halle 1922» (Seite 110).

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