1919 Сельский врач (сборник)
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Mein elfter Sohn ist zart, wohl der schw"achste unter meinen S"ohnen; aber t"auschend in seiner Schw"ache; er kann n"amlich zu Zeiten kr"aftig und bestimmt sein, doch ist allerdings selbst dann die Schw"ache irgendwie grundlegend. Es ist aber keine besch"amende Schw"ache, sondern etwas, das nur auf diesem unsern Erdboden als Schw"ache erscheint. Ist nicht zum Beispiel auch Flugbereitschaft Schw"ache, da sie doch Schwanken und Unbestimmtheit und Flattern ist? Etwas Derartiges zeigt mein Sohn. Den Vater freuen nat"urlich solche Eigenschaften nicht; sie gehen ja offenbar auf Zerst"orung der Familie aus. Manchmal blickt er mich an, als wollte er mir sagen: »Ich werde dich mitnehmen, Vater.« Dann denke ich: »Du w"arst der Letzte, dem ich mich vertraue.« Und sein Blick scheint wieder zu sagen: »Mag ich also wenigstens der Letzte sein.«
Das sind die elf S"ohne.
12. EIN BRUDERMORD
Es ist erwiesen, dass der Mord auf folgende Weise erfolgte:
Schmar, der M"order, stellte sich gegen neun Uhr abends in der mondklaren Nacht an jener Strassenecke auf, wo Wese, das Opfer, aus der Gasse, in welcher sein Bureau lag, in jene Gasse einbiegen musste, in der er wohnte.
Kalte, jeden durchschauernde Nachtluft. Aber Schmar hatte nur ein d"unnes blaues Kleid angezogen; das R"ockchen war "uberdies aufgekn"opft. Er f"uhlte keine K"alte; auch war er immerfort in Bewegung. Seine Mordwaffe, halb Bajonett, halb K"uchenmesser, hielt er ganz blossgelegt immer fest im Griff. Betrachtete das Messer gegen das Mondlicht; die Schneide blitzte auf; nicht genug f"ur Schmar; er hieb mit ihr gegen die Backsteine des Pflasters, dass es Funken gab; bereute es vielleicht; und um den Schaden gut zu machen, strich er mit ihr violinbogenartig "uber seine Stiefelsohle, w"ahrend er, auf einem Bein stehend, vorgebeugt, gleichzeitig dem Klang des Messers an seinem Stiefel, gleichzeitig in die schicksalsvolle Seitengasse lauschte.
Warum duldete das alles der Private Pallas, der in der N"ahe aus seinem Fenster im zweiten Stockwerk alles beobachtete? Ergr"unde die Menschennatur! Mit hochgeschlagenem Kragen, den Schlafrock um den weiten Leib geg"urtet, kopfsch"uttelnd, blickte er hinab.
Und f"unf H"auser weiter, ihm schr"ag gegen"uber, sah Frau Wese, den Fuchspelz "uber ihrem Nachthemd,nach ihrem Manne aus, der heute ungew"ohnlich lange z"ogerte.
Endlich ert"ont die T"urglocke vor Weses Bureau, zu laut f"ur eine T"urglocke, "uber die Stadt hin, zum Himmel auf, und Wese, der fleissige Nachtarbeiter, tritt dort, in dieser Gasse noch unsichtbar, nur durch das Glockenzeichen angek"undigt, aus dem Haus; gleich z"ahlt das Pflaster seine ruhigen Schritte.
Pallas beugt sich weit hervor; er darf nichts vers"aumen. Frau Wese schliesst, beruhigt durch die Glocke, klirrend ihr Fenster. Schmar aber kniet nieder; da er augenblicklich keine anderen Bl"ossen hat, dr"uckt er nur Gesicht und H"ande gegen die Steine; wo alles friert, gl"uht Schmar.
Gerade an der Grenze, welche die Gassen scheidet, bleibt Wese stehen, nur mit dem Stock st"utzt er sich in die jenseitige Gasse. Eine Laune. Der Nachthimmel hat ihn angelockt, das Dunkelblaue und das Goldene. Unwissend blickt er es an, unwissend streicht er das Haar unter dem gel"upften Hut; nichts r"uckt dort oben zusammen, um ihm die allern"achste Zukunft anzuzeigen; alles bleibt an seinem unsinnigen, unerforschlichen Platz. An und f"ur sich sehr vern"unftig, dass Wese weitergeht, aber er geht ins Messer des Schmar.
»Wese!« schreit Schmar, auf den Fussspitzen stehend, den Arm aufgereckt, das Messer scharf gesenkt,
»Getan«, sagt Schmar und wirft das Messer, den "uberfl"ussigen blutigen Ballast, gegen die n"achste Hausfront. »Seligkeit des Mordes! Erleichterung, Befl"ugelung durch das Fliessen des fremden Blutes! Wese, alter Nachtschatten, Freund, Bierbankgenosse, versickerst im dunklen Strassengrund. Warum bist du nicht einfach eine mit Blut gef"ullte Blase, dass ich mich auf dich setzte und du verschw"andest ganz und gar. Nicht alles wird erf"ullt, nicht alle Bl"utentr"aume reiften, dein schwerer Rest liegt hier, schon unzug"anglich jedem Tritt. Was soll die stumme Frage, die du damit stellst?«
Pallas, alles Gift durcheinander w"urgend in seinem Leib, steht in seiner zweifl"ugelig aufspringenden Haust"ur. »Schmar! Schmar! Alles bemerkt, nichts "ubersehen.« Pallas und Schmar pr"ufen einander. Pallas befriedigt’s, Schmar kommt zu keinem Ende.
Frau Wese mit einer Volksmenge zu ihren beiden Seiten eilt mit vor Schrecken ganz gealtertem Gesicht herbei. Der Pelz "offnet sich, sie st"urzt "uber Wese, der nachthemdbekleidete K"orper geh"ort ihm, der "uber dem Ehepaar sich wie der Rasen eines Grabes schliessende Pelz geh"ort der Menge.
Schmar, mit M"uhe die letzte "Ubelkeit verbeissend, den Mund an die Schulter des Schutzmannes gedr"uckt, der leichtf"ussig ihn davonf"uhrt.
13. EIN TRAUM
Josef K. tr"aumte:
Es war ein sch"oner Tag und K. wollte spazieren gehen. Kaum aber hatte er zwei Schritte gemacht, war er schon auf dem Friedhof. Es waren dort sehr k"unstliche, unpraktisch gewundene Wege, aber er glitt "uber einen solchen Weg wie auf einem reissenden Wasser in unersch"utterlich schwebender Haltung. Schon von der Ferne fasste er einen frisch aufgeworfenen Grabh"ugel ins Auge, bei dem er Halt machen wollte. Dieser Grabh"ugel "ubte fast eine Verlockung auf ihn aus und er glaubte, gar nicht eilig genug hinkommen zu k"onnen. Manchmal aber sah er den Grabh"ugel kaum, er wurde ihm verdeckt durch Fahnen, deren T"ucher sich wanden und mit grosser Kraft aneinanderschlugen; man sah die Fahnentr"ager nicht, aber es war, als herrsche dort viel Jubel.
W"ahrend er den Blick noch in die Ferne gerichtet hatte, sah er pl"otzlich den gleichen Grabh"ugel neben sich am Weg, ja fast schon hinter sich. Er sprang eilig ins Gras. Da der Weg unter seinem abspringenden Fuss weiter raste, schwankte er und fiel gerade vor dem Grabh"ugel ins Knie. Zwei M"anner standen hinter dem Grab und hielten zwischen sich einen Grabstein in der Luft; kaum war K. erschienen, stiessen sie den Stein in die Erde und er stand wie festgemauert. Sofort trat aus einem Geb"usch ein dritter Mann hervor, den K. gleich als einen K"unstler erkannte. Er war nur mit Hosen und einem schlecht zugekn"opften Hemd bekleidet; auf dem Kopf hatte er eine Samtkappe; in der Hand hielt er einen gew"ohnlichen Bleistift, mit dem er schon beim N"aherkommen Figuren in der Luft beschrieb.
Mit diesem Bleistift setzte er nun oben auf dem Stein an; der Stein war sehr hoch, er musste sich gar nicht b"ucken, wohl aber musste er sich vorbeugen, denn der Grabh"ugel, auf den er nicht treten wollte, trennte ihn von dem Stein. Er stand also auf den Fussspitzen und st"utzte sich mit der linken Hand auf die Fl"ache des Steines. Durch eine besonders geschickte Hantierung gelang es ihm, mit dem gew"ohnlichen Bleistift Goldbuchstaben zu erzielen; er schrieb:
»Hier ruht –« Jeder Buchstabe erschien rein und sch"on, tief geritzt und in vollkommenem Gold. Als er die zwei Worte geschrieben hatte, sah er nach K. zur"uck; K., der sehr begierig auf das Fortschreiten der Inschrift war, k"ummerte sich kaum um den Mann, sondern blickte nur auf den Stein. Tats"achlich setzte der Mann wieder zum Weiterschreiben an, aber er konnte nicht, es bestand irgendein Hindernis, er liess den Bleistift sinken und drehte sich wieder nach K. um. Nun sah auch K. den K"unstler an und merkte, dass dieser in grosser Verlegenheit war, aber die Ursache dessen nicht sagen konnte. Alle seine fr"uhere Lebhaftigkeit war verschwunden. Auch K. geriet dadurch in Verlegenheit; sie wechselten hilflose Blicke; es lag ein h"assliches Missverst"andnis vor, das keiner aufl"osen konnte. Zur Unzeit begann nun auch eine kleine Glocke von der Grabkapelle zu l"auten, aber der K"unstler fuchtelte mit der erhobenen Hand und sie h"orte auf. Nach einem Weilchen begann sie wieder; diesmal ganz leise und, ohne besondere Aufforderung, gleich abbrechend; es war, als wolle sie nur ihren Klang pr"ufen. K. war untr"ostlich "uber die Lage des K"unstlers, er begann zu weinen und schluchzte lange in die vorgehaltenen H"ande. Der K"unstler wartete, bis K. sich beruhigt hatte, und entschloss sich dann, da er keinen andern Ausweg fand, dennoch zum Weiterschreiben. Der erste kleine Strich, den er machte, war f"ur K. eine Erl"osung, der K"unstler brachte ihn aber offenbar nur mit dem "aussersten Widerstreben zustande; die Schrift war auch nicht mehr so sch"on, vor allem schien es an Gold zu fehlen, blass und unsicher zog sich der Strich hin, nur sehr gross wurde der Buchstabe. Es war ein J, fast war es schon beendet, da stampfte der K"unstler w"utend mit einem Fuss in den Grabh"ugel hinein, dass die Erde ringsum in die H"ohe flog. Endlich verstand ihn K.; ihn abzubitten war keine Zeit mehr; mit allen Fingern grub er in die Erde, die fast keinen Widerstand leistete; alles schien vorbereitet; nur zum Schein war eine d"unne Erdkruste aufgerichtet; gleich hinter ihr "offnete sich mit absch"ussigen W"anden ein grosses Loch, in das K., von einer sanften Str"omung auf den R"ucken gedreht, versank. W"ahrend er aber unten, den Kopf im Genick noch aufgerichtet, schon von der undurchdringlichen Tiefe aufgenommen wurde, jagte oben sein Name mit m"achtigen Zieraten "uber den Stein.Entz"uckt von diesem Anblick erwachte er.
14. EIN BERICHT F"UR EINE AKADEMIE
Hohe Herren von der Akademie!
Sie erweisen mir die Ehre, mich aufzufordern, der Akademie einen Bericht "uber mein "affisches Vorleben einzureichen.
In diesem Sinne kann ich leider der Aufforderung nicht nachkommen. Nahezu f"unf Jahre trennen mich vom Affentum, eine Zeit, kurz vielleicht am Kalender gemessen, unendlich lang aber durchzugaloppieren, so wie ich es getan habe, streckenweise begleitet von vortrefflichen Menschen, Ratschl"agen, Beifall und Orchestralmusik, aber im Grunde allein, denn alle Begleitung hielt sich, um im Bilde zu bleiben, weit vor der Barriere. Diese Leistung w"are unm"oglich gewesen, wenn ich eigensinnig h"atte an meinem Ursprung, an den Erinnerungen der Jugend festhalten wollen. Gerade Verzicht auf jeden Eigensinn war das oberste Gebot, das ich mir auferlegt hatte; ich, freier Affe, f"ugte mich diesem Joch. Dadurch verschlossen sich mir aber ihrerseits die Erinnerungen immer mehr. War mir zuerst die R"uckkehr, wenn die Menschen gewollt h"atten, freigestellt durch das ganze Tor, das der Himmel "uber der Erde bildet, wurde es gleichzeitig mit meiner vorw"arts gepeitschten Entwicklung immer niedriger und enger; wohler und eingeschlossener f"uhlte ich mich in der Menschenwelt; der Sturm, der mir aus meiner Vergangenheit nachblies, s"anftigte sich; heute ist es nur ein Luftzug, der mir die Fersen k"uhlt; und das Loch in der Ferne, durch das er kommt und durch das ich einstmals kam, ist so klein geworden, dass ich, wenn "uberhaupt die Kr"afte und der Wille hinreichen w"urden, um bis dorthin zur"uckzulaufen, das Fell vom Leib mir schinden m"usste, um durchzukommen. Offen gesprochen, so gerne ich auch Bilder w"ahle f"ur diese Dinge, offen gesprochen: Ihr Affentum, meine Herren, soferne Sie etwas Derartiges hinter sich haben, kann Ihnen nicht ferner sein als mir das meine. An der Ferse aber kitzelt es jeden, der hier auf Erden geht: den kleinen Schimpansen wie den grossen Achilles.
In eingeschr"anktestem Sinn aber kann ich doch vielleicht Ihre Anfrage beantworten und ich tue es sogar mit grosser Freude. Das erste, was ich lernte, war: den Handschlag geben; Handschlag bezeugt Offenheit; mag nun heute, wo ich auf dem H"ohepunkte meiner Laufbahn stehe, zu jenem ersten Handschlag auch das offene Wort hinzukommen. Es wird f"ur die Akademie nichts wesentlich Neues beibringen und weit hinter dem zur"uckbleiben, was man von mir verlangt hat und was ich beim besten Willen nicht sagen kann – immerhin, es soll die Richtlinie zeigen, auf welcher ein gewesener Affe in die Menschenwelt eingedrungen ist und sich dort festgesetzt hat. Doch d"urfte ich selbst das Geringf"ugige, was folgt, gewiss nicht sagen, wenn ich meiner nicht v"ollig sicher w"are und meine Stellung auf allen grossen Variet'eb"uhnen der zivilisierten Welt sich nicht bis zur Unersch"utterlichkeit gefestigt h"atte: