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ЖАНРЫ

1919 Сельский врач (сборник)
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Nun erst beginnt die praktische "Ubung. Bin ich nicht schon allzu ersch"opft durch das Theoretische? Wohl, allzu ersch"opft. Das geh"ort zu meinem Schicksal. Trotzdem greife ich, so gut ich kann, nach der hingereichten Flasche; entkorke sie zitternd; mit dem Gelingen stellen sich allm"ahlich neue Kr"afte ein; ich hebe die Flasche, vom Original schon kaum zu unterscheiden; setze sie an und – und werfe sie mit Abscheu, mit Abscheu, trotzdem sie leer ist und nur noch der Geruch sie f"ullt, werfe sie mit Abscheu auf den Boden. Zur Trauer meines Lehrers, zur gr"osseren Trauer meiner selbst; weder ihn, noch mich vers"ohne ich dadurch, dass ich auch nach dem Wegwerfen der Flasche nicht vergesse, ausgezeichnet meinen Bauch zu streichen und dabei zu grinsen.

Allzuoft nur verlief so der Unterricht. Und zur Ehre meines Lehrers: er war mir nicht b"ose; wohl hielt er mir manchmal die brennende Pfeife ans Fell, bis es irgendwo, wo ich nur schwer hinreichte, zu glimmen anfing, aber dann l"oschte er es selbst wieder mit seiner riesigen guten Hand; er war mir nicht b"ose, er sah ein, dass wir auf der gleichen Seite gegen die Affennatur k"ampften und dass ich den schwereren Teil hatte.

Was f"ur ein Sieg dann allerdings f"ur ihn wie f"ur mich, als ich eines Abends vor grossem Zuschauerkreis – vielleicht war ein Fest, ein Grammophon spielte, ein Offizier erging sich zwischen den Leuten – als ich an diesem Abend, gerade unbeachtet, eine vor meinem K"afig versehentlich stehen gelassene Schnapsflasche ergriff, unter steigender Aufmerksamkeit der Gesellschaft sie schulgerecht entkorkte, an den Mund setzte und ohne Z"ogern, ohne Mundverziehen, als Trinker von Fach, mit rund gew"alzten Augen, schwappender Kehle, wirklich und wahrhaftig leer trank; nicht mehr als Verzweifelter, sondern als K"unstler die Flasche hinwarf; zwar vergass den Bauch zu streichen; daf"ur aber, weil ich nicht anders konnte, weil es mich dr"angte, weil mir die Sinne rauschten, kurz und gut

»Hallo!« ausrief, in Menschenlaut ausbrach, mit diesem Ruf in die Menschengemeinschaft sprang und ihr Echo: »H"ort nur, er spricht!« wie einen Kuss auf meinem ganzen schweisstriefenden K"orper f"uhlte.

Ich wiederhole: es verlockte mich nicht, die Menschen nachzuahmen; ich ahmte nach, weil ich einen Ausweg suchte, aus keinem anderen Grund. Auch war mit jenem Sieg noch wenig getan. Die Stimme versagte mir sofort wieder; stellte sich erst nach Monaten ein; der Widerwille gegen die Schnapsflasche kam sogar noch verst"arkter. Aber meine Richtung allerdings war mir ein f"ur allemal gegeben.

Als ich in Hamburg dem ersten Dresseur "ubergeben wurde, erkannte ich bald die zwei M"oglichkeiten, die mir offen standen: Zoologischer Garten oder Variet'e. Ich z"ogerte nicht. Ich sagte mir: setze alle Kraft an, um ins Variet'e zu kommen; das ist der Ausweg; Zoologischer Garten ist nur ein neuer Gitterk"afig; kommst du in ihn, bist du verloren.

Und ich lernte, meine Herren. Ach, man lernt, wenn man muss; man lernt, wenn man einen Ausweg will; man lernt r"ucksichtslos. Man beaufsichtigt sich selbst mit der Peitsche; man zerfleischt sich beim geringsten Widerstand. Die Affennatur raste, sich "uberkugelnd, aus mir hinaus und weg, so dass mein erster Lehrer selbst davon fast "affisch wurde, bald den Unterricht aufgeben und in eine Heilanstalt gebracht werden musste. Gl"ucklicherweise kam er wieder bald hervor.

Aber ich verbrauchte viele Lehrer, ja sogar einige Lehrer gleichzeitig. Als ich meiner F"ahigkeiten schon sicherer geworden war, die "Offentlichkeit meinen Fortschritten folgte, meine Zukunft zu leuchten begann, nahm ich selbst Lehrer auf, liess sie in f"unf aufeinanderfolgenden Zimmern niedersetzen und lernte bei allen zugleich, indem ich ununterbrochen aus einem Zimmer ins andere sprang.

Diese Fortschritte! Dieses Eindringen der Wissensstrahlen von allen Seiten ins erwachende Hirn! Ich leugne nicht: es begl"uckte mich. Ich gestehe aber auch ein: ich "ubersch"atzte es nicht, schon damals nicht, wieviel weniger heute. Durch eine Anstrengung, die sich bisher auf der Erde nicht wiederholt hat, habe ich die Durchschnittsbildung eines Europ"aers erreicht. Das w"are an sich vielleicht gar nichts, ist aber insofern doch etwas, als es mir aus dem K"afig half und mir diesen besonderen Ausweg, diesen Menschenausweg verschaffte. Es gibt eine ausgezeichnete deutsche Redensart: sich in die B"usche schlagen; das habe ich getan, ich habe mich in die B"usche geschlagen. Ich hatte keinen anderen Weg, immer vorausgesetzt, dass nicht die Freiheit zu w"ahlen war.

"Uberblicke ich meine Entwicklung und ihr bisheriges Ziel, so klage ich weder, noch bin ich zufrieden. Die H"ande in den Hosentaschen, die Weinflasche auf dem Tisch, liege ich halb, halb sitze ich im Schaukelstuhl und schaue aus dem Fenster. Kommt Besuch, empfange ich ihn, wie es sich geb"uhrt. Mein Impresario sitzt im Vorzimmer; l"aute ich, kommt er und h"ort, was ich zu sagen habe. Am Abend ist fast immer Vorstellung, und ich habe wohl kaum mehr zu steigernde Erfolge. Komme ich sp"at nachts von Banketten, aus wissenschaftlichen Gesellschaften, aus gem"utlichem Beisammensein nach Hause, erwartet mich eine kleine halbdressierte Schimpansin und ich lasse es mir nach Affenart bei ihr wohlgehen. Bei Tag will ich sie nicht sehen; sie hat n"amlich den Irrsinn des verwirrten dressierten Tieres im Blick; das erkenne nur ich und ich kann es nicht ertragen.

Im Ganzen habe ich jedenfalls erreicht, was ich erreichen wollte. Man sage nicht, es w"are der M"uhe nicht wert gewesen. Im "ubrigen will ich keines Menschen Urteil, ich will nur Kenntnisse verbreiten, ich berichte nur, auch Ihnen, hohe Herren von der Akademie, habe ich nur berichtet.

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