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ЖАНРЫ

Bitterschokolade (Горький шоколад)
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»Aber du kannst das«, sagte Franziska. »Wieso bist du nicht Klassensprecherin geworden?«

Eva, getroffen von dieser plцtzlichen Aufwertung, wandte sich ab. Antwortlos, sprachlos holte sie den Tee aus der Kьche.

Eva stand vor ihrem Bьcherregal. Hinter den anderen Bьchern steckte, in Querlage und gut getarnt, das Diдtbuch. Es war nicht leicht gewesen, ein sicheres Versteck zu finden.

Eva dachte an die Situation in der Buchhandlung, an ihren heimlichen Diдtversuch, an all die Verzweiflung, die niemand merken durfte, und zцgerte. Doch dann nahm sie das Buch heraus und ging schnell in die Kь­che. Ihre Mutter saЯ am Tisch und las die Zeitung.

»Mama«, sagte Eva und legte das Buch auf den Tisch.

»Kannst du nicht fьr mich mal anders kochen? Ich wьrde gern ein bisschen abnehmen, wenn es geht.«

Die Mutter schaute erstaunt auf. »Wieso? Hat dein Freund etwas gesagt?«

Eva schьttelte den Kopf. »Nein, nicht deswegen. Aber ich finde mich zu dick.«

»Aber du siehst doch gut aus«, sagte die Mutter. »Und dass du so schwer bist, das hast du vom Papa.«

»Und vom Essen.« Eva wollte das Buch schon wie­der nehmen, es wдre einfacher gewesen und es ging ihr nicht mehr wirklich um die Diдt, doch sie dachte an die Heimlichkeiten, an die verborgene Scham, und re­dete weiter: »Ich glaube ja auch nicht, dass ich dьnn werde. Aber ausprobieren mцchte ich es gern und ich will es nicht heimlich tun. Ich will nicht mehr heimlich essen und nicht mehr heimlich hungern. Nein, hungern will ich ьberhaupt nicht mehr. Aber wir kцnnten doch mal probieren, ein bisschen anders zu essen.«

Die Mutter nahm neugierig das Buch und blдtterte darin herum. »Natьrlich«, sagte sie. »Natьrlich kann ich dir so etwas kochen. WeiЯt du was? Ich mache auch mit. Schaden kann es mir nicht. Und dem Papa

erst recht nicht. Und jetzt in den Ferien kцnnen wir das wirklich machen.« Die Mutter war ganz begeistert. »Schau mal, da das Mittagessen: Fischfilet Neptun mit Grilltomaten. Das hцrt sich doch prima an. Soll ich das heute machen? Und zum Nachtisch Eis?«

»Ja«, sagte Eva. »Soll ich fьr dich einkaufen?«

»Wir kцnnten zusammen gehen. Magst du, dass wir zusammen gehen?«

Eva nickte. »Gern. Wir gehen zusammen einkaufen und dann kochen wir zusammen.«

»Und wenn es dem Papa nicht schmeckt, dann schicken wir ihn ins Restaurant.«

Eva lachte. »Traust du dich das?«

Die Mutter zuckte mit den Schultern. »Vielleicht nicht. Aber ich werde fьr dich das kochen, was du willst. Bestimmt.«

Eva legte ihrer Mutter die Arme um den Hals und kьsste sie.

»Eva«, sagte die Mutter, »ach, Eva. Du sollst es bes­ser machen als ich. Du sollst gescheiter sein.«

19

Eva und Franziska hatten gelernt und dann gingen sie in die Stadt. »Soll ich mit dir gehen?«, hatte Franziska gefragt, als sie von dem Hundertmarkschein gehцrt hatte. »Komm, lass mich mitgehen. Ich gehe gern ein­kaufen.«

»Ich weiЯ aber noch gar nicht, was ich will«, hatte Eva zцgernd geantwortet. Wie wьrde das sein, anpro­bieren, wenn Franziska dabei war? Einkaufen mit der Mutter, das war etwas anderes. Die Mutter kannte Eva, schaute nicht auf den dicken Busen, wusste um die GrцЯe ihres Hinterns. Franziska, hatte sie vielleicht noch gar nicht gemerkt, wie dick Eva war? Wьrde es ihr auffallen, wenn Eva Hosen probierte?

Jeans wollte sie kaufen. Aber vielleicht sollte sie doch lieber Bьcher nehmen? Eigentlich wollte sie eine Hose und eine Bluse. Sie hatte schon lange keine Hose mehr gehabt. »Hosen will ich nicht nдhen«, hatte die Schmidhuber gesagt. »Das lohnt sich nicht. Hosen muss man kaufen.«

»Eva, dir passen sowieso keine. Nimm lieber ein Kleid«, war die Meinung der Mutter. »Ein Faltenrock, oben eng, dann mit Springfalten, das ist gьnstig fьr dich. Und mцglichst dunkel. Helle Farben tragen auf.«

Eva, aus Angst vor dem Gelдchter, aus Angst vor dem Probieren, aus Angst vor der Erfahrung, dass ihr wirklich nichts passen wьrde, hatte genickt und wieder einen neuen Rock bekommen.

»Fьr mich ist es schwer, etwas zu finden«, sagte sie zu Franziska.

»Macht nichts. Ich habe Geduld, viel Geduld. Meine Mutter ist auch schwierig, aber sie mag es, wenn ich mitgehe. Sie sagt, ich kцnnte gut beraten.«

»Vielleicht kaufe ich aber auch Bьcher.«

»Fьr hundert Mark?«

Sie fuhren mit der StraЯenbahn in die Stadt. Franzis­ka wusste einen kleinen Laden, einen ganz guten, sagte sie, dort wьrden sie bestimmt etwas finden.

»Was fьr eine GrцЯe hast du?«, fragte Eva in das Rattern der StraЯenbahn hinein.

»Ich meine, in inch.«

»Neunundzwanzig oder achtundzwanzig, das kommt auf die Firma an.«

»Ich habe vierunddreiЯig oder sechsunddreiЯig«, sagte Eva.

»Was hast du gesagt?«

DrauЯen auf der StraЯe hдmmerte ein Pressluftboh­rer, bohrte Lцcher in den Asphalt, riss breite Rinnen in die StraЯe.

»Ьberall diese Baustellen«, sagte Franziska. »Man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr.«

Einmal war Eva in einen Jeans-Laden gegangen, hatte aufgeregt und beschдmt probiert.

»Wenn Ihnen vierunddreiЯig inch zu klein ist, pro­bieren Sie doch mal sechsunddreiЯig inch.«

Die Verkдuferin hatte mit einer zweiten Verkдuferin geredet. Eva, in der Kabine, hatte sie nicht verstehen kцnnen, so leise hatten sie geredet. Sie hatte nicht ge­wusst, worьber sie lachten. Eva hatte in der Kabine ge­standen, einen orangefarbenen Vorhang im Rьcken, vor dem Spiegel hatte sie gestanden und versucht, die Jeans zuzukriegen, und drauЯen das Lachen der Ver­kдuferin, der sicher die GrцЯe neunundzwanzig passte, einer, die nicht vierunddreiЯig oder sechsunddreiЯig probieren musste. Neunundzwanzig inch. Wenn Eva das jemals erreichen kцnnte! Sie hatte in der Kabine gestanden, Orange war wirklich keine Farbe fьr sie, wem stand ьberhaupt Orange, und hatte mit vor An­strengung gerцtetem Gesicht versucht, den ReiЯver­schluss zu schlieЯen. Es ging nicht. Er klemmte. Aber sie wagte nicht, die Verkдuferin zu rufen, die mit der GrцЯe neunundzwanzig, vielleicht hatte sie sogar acht-undzwanzig, um sie zu bitten, ihr zu helfen beim SchlieЯen.

Dann war sie zur Kasse gegangen, hatte die Jeans, die vierunddreiЯiger, auf die Theke gelegt und gesagt: »Ich nehme die.« Sie hatte bezahlt und war gegangen. Warum hatte sie das gemacht? Neunundsechzig Mark fьr nichts, fьr eine Hose, die ihr zu eng war, die sie nie anziehen konnte, nur weil sie sich schдmte zu sagen: »Sie passt mir nicht.«

Wie wьrde es mit Franziska sein?

Der Laden war wirklich ziemlich klein. Eva wдre lieber in einen grцЯeren gegangen, in einen, in dem sie nicht so aufgefallen wдre, eine Kundin unter vielen, nicht jemand, den man besonders beachtet. Aber Fran­ziska schien sich hier wohl zu fьhlen. »Hier habe ich schon oft eingekauft«, sagte sie. »Hier kauf ich gern. Die haben tolle Sachen.«

»Das Hemd hier gefдllt mir«, sagte Eva. Das Hemd war rosa.

»Kauf es dir doch.«

»Ich mцchte eine Jeans, eine blaue«, sagte Eva zu der Verkдuferin. Und sie dachte: So eine helle Hose wьrde mir viel besser gefallen. So eine ganz helle. Und dazu das rosa Hemd! Schade.

Sie stand in der Kabine und bemьhte sich verzwei­felt, den ReiЯverschluss zuzumachen. Es ging nicht.

»Na, was ist?«, fragte Franziska von drauЯen.

»Zu klein.«

Franziska brachte die nдchste Hose. Noch eine. Sie hob den Vorhang zur Seite und kam herein.

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