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ЖАНРЫ

Bitterschokolade (Горький шоколад)
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»Eva! Abendessen!«, rief die Mutter. Zwei Scheiben Toast mit Butter und Lachsschinken, selbst wenn man die Butter dьnn streicht, sind fьnfhundert Kalorien.

»Ich habe keinen Hunger«, sagte Eva. »Ich mag heute nichts.«

»Wieso denn?«, fragte die Mutter. »Bist du krank?«

Mama, kann ich dir trauen? Bist du verschwiegen?

Nein, lieber nicht. Eva hatte Angst vor peinlichen Bemerkungen. »Lass nur, es gibt Mдnner, die haben ganz gern was in der Hand.«

»Ich bin nicht krank«, sagte sie zu ihrer Mutter. »Ich habe ganz einfach keinen Hunger.«

Die Tage vergingen quдlend langsam. Aufstehen, sich anziehen, beim Frьhstьck die vorwurfsvollen Blicke der Mutter, wenn Eva nur schwarzen Kaffee trank. Sie schmierte sich, um diese Blicke zu beschwichtigen, ex­tradicke Brote fьr die Schule, drei doppelte, die sie dann an der nдchsten StraЯenecke in einen Papierkorb werfen wьrde. Sie fastete.

Franziska fragte:

»Bist du krank?«

»Nein«, antwortete Eva, erklдrte das Knurren ihres Magens mit einer plцtzlichen Ьbelkeit, irgendein Virus wird es wohl sein. Franziska legte ihr trцstend die Hand auf den Arm. Ihre Hand war warm und ange­nehm, mit weichen, trockenen Handflдchen. Obwohl Eva frцstelte, trotz der Wдrme des Sommertages frцs­telte sie, waren ihre Handflдchen feucht.

Wenn die Gier nach Essen sie ьberfiel, wenn sich ihr Magen wдhrend des Unterrichts schmerzhaft zusam­menzog, brauchte sie sich nur ein bisschen zurьckzu­lehnen und ihre Oberschenkel mit denen von Franzis­ka zu vergleichen. Franziska, immer in Hosen, mit

schmalen Beinen, die Knie fast mager, und dagegen sie: Knie wie Dampfnudeln, ьber die der Rock hoch­rutschte beim Sitzen, Wьlste oberhalb der Knie, Fett­wьlste.

Wulst, Wьlste. Was fьr ein hдssliches Wort. Ein Wort zum Ekeln.

Die Vormittage waren schlimm, aber die Nachmitta­ge waren noch schlimmer. Beim Mittagessen sagte sie, sie hдtte keinen Hunger, sie sagte, sie hдtte die Schul­brote, die drei doppelten, erst auf dem Heimweg ge­gessen.

Dann ging sie zum Park, wartete auf Michel, wusste, er wьrde nicht kommen, hoffte, er wьrde doch kom­men.

Aber warum sollte er? Sie war schuld an allem. Oder nicht sie, nicht die Eva, diese verdammte Fetthьlle war schuld.

Um vier ging sie wieder nach Hause, zog sich in ihr Zimmer zurьck, lernte wьtend und verbissen Voka­beln, um hinterher festzustellen, dass sie sie nicht konnte.

Vor dem Abendessen ging sie ins Bett. »Mir ist nicht gut, Mama, wirklich. Lass mich in Ruhe, bitte. Lass mich schlafen.«

Die Brote, die die Mutter ihr brachte, mit дngstli­chem, besorgtem Gesicht, »Kind, was ist denn los mit dir?«, wickelte sie in eine Plastiktьte und versteckte sie in ihrer Schultasche. Die Brote wьrde sie am nдchsten

Morgen in den Papierkorb werfen, zusammen mit den Schulbroten. Sie weinte sich in den Schlaf.

Warum kam Michel nicht?

Eva hatte Schmerzen, quдlende, durch nichts mehr zu unterdrьckende Schmerzen. Ihr Magen tat so weh, noch nie hatte ihr etwas so wehgetan. Und in ihrem Bauch krampften sich die Dдrme, wie Messerstiche war das.

Sie nahm ein Buch und versuchte zu lesen, aber die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. Schwar­ze Flecken tanzten auf dem Papier. Sie konnte nur noch an Essen denken, alles andere wurde unwichtig neben dem Verlangen, ihren Hunger zu stillen. Still werden, die Gerдusche ihres Magens still werden zu lassen. Hunger tut weh.

»Ich will nicht essen«, dachte sie. »Ich will nicht.«

Vier Pfund hatte sie abgenommen in diesen vier Ta­gen, vier Pfund. Natьrlich war das nicht besonders viel im Vergleich zu den zwanzig, die sie noch abnehmen musste, aber immerhin!

Sie legte das Buch weg und griff nach den Diдt­tabellen.

l Scheibe Brot, 40 g, 100 Kalorien

5 g Butter, 38 Kalorien

100 g Salami, 526 Kalorien

100 g Gorgonzola, 410 Kalorien

l Tafel Schokolade, 536 Kalorien

Eva fror, obwohl die Sonne schien. Ihre Haut zog

sich zusammen und ihr Kopf drцhnte. Sie ging in die Kьche, wehrlos, hilflos ihrem Begehren ausgeliefert, ohne einen kleinen Rest Kraft zum Widerstand, und griff nach dem Brot, drьckte den groЯen Laib gegen ihren Bauch und schnitt mit dem Messer, dem mit der gesдgten Schneide, eine dicke Scheibe herunter. Sie legte die Brotscheibe auf ein Holzbrett und bestrich sie mit Butter, ganz dick.

»So dick brauchst du die Butter auch nicht zu schmieren«, sagte die Mutter.

»Lass mich, ich habe Hunger.«

Eva nahm den Salzstreuer, einen Porzellanfliegenpilz mit Lцchern in dem weiЯ gepunkteten Hut, weiЯe Punkte auf rotem Hut. Ein Fliegenpilz ist giftig. Sie streute die hellen Kristallkцrnchen auf die Butter.

»Soll ich dir nicht die Suppe warm machen?«, fragte die Mutter.

Eva antwortete nicht. Sie trug das Holzbrett in ihr Zimmer, legte es auf den Schreibtisch und setzte sich davor. Sie biss hinein in das Brot, riss den Bissen so heftig los, dass das Brot in ihrer Hand auseinander brach.

Was gibt es auf der Welt auЯer Kauen? Welche Weichheit lдsst sich mit Butter vergleichen, kьhler But­ter auf frischem Brot? Welche Wьrze ist besser als Salz, nicht zu viel, nicht zu wenig? Es gibt kein Glьck auЯer diesem: Kauen, das Brot im Mund zerkauen und runterschlucken und dabei das Brot in der Hand sehen,

das Gefьhl des

Ьberflusses: Es gibt noch den nдchsten Bissen, dann noch einen.

Der Hals tat ihr weh beim Schlucken und tief in ihr saЯ die Enttдuschung, das Versagthaben, Es-wieder-einmal-nicht-geschafft-Haben, und wurde zugedeckt mit diesem kцstlichen Brei aus zerkautem Brot, Butter und Salz.

Die letzten Wochen vor dem Zeugnis. Jetzt war nichts mehr zu дndern, nichts konnte man mehr ausbьgeln. Franziska war sehr still. »Ich schaffe es nicht«, sagte sie zu Eva. »Ich schaffe es einfach nicht. In Mathe krie­ge ich eine Fьnf, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, ist das noch geschmeichelt.«

»Dafьr bist du in Englisch doch so gut.«

»Aber nur in Englisch. Mein Vater sagt, ich sollte die Klasse freiwillig wiederholen, das wдre das Ge­scheiteste.«

Sie standen auf dem Schulhof. Das Geschrei um sie herum wurde plцtzlich ganz laut, drцhnte in ihren Oh­ren, wurde so schrill, dass Eva nichts mehr wahrneh­men konnte auЯer diesem Geschrei, auch nicht mehr die leise Stimme neben ihr.

Und dann wusste sie, wie wichtig es ihr war, dass Franziska in der Klasse blieb, weiter neben ihr saЯ, morgens einfach da war und ihr die Hand gab.

»Nein«, sagte Eva. »Nein, du sollst nicht wieder­holen.«

»Aber so geht es doch auch nicht weiter.« Franziska hakte sich bei Eva ein. »Ich bin einfach zu blцd fьr Mathe. Wenn ich es nur halb so gut kцnnte wie du!«

Eva zog Franziska in den leeren Gang zur Turnhalle. »Ich werde mit dir lernen«, sagte sie. »Dem Hochstein werden noch die Ohren schlackern, so gut wirst du in Mathe werden.«

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