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ЖАНРЫ

Немецкий с улыбкой. Учись смеяться не плача / Lerne lachen ohne zu weinen
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Und einer hatte eben diese sanft brennende Lampe aufgebaut, sein Schaufenster war so h"ubsch dekoriert; da standen die B"ucher, die das Lob des T"otens verk"undeten, die Hymne des Mordes, die Psalmen der Gasgranaten. Deshalb, junger Mann.

Ehe du die letzte Zuckung tust, junger Mann:

Man hat ja noch niemals versucht, den Krieg ernsthaft zu bek"ampfen. Man hat ja noch niemals alle Schulen und alle Kirchen, alle Kinos und alle Zeitungen f"ur die Propaganda des Krieges gesperrt. Man weiss also gar nicht, wie eine Generation auss"ahe, die in der reinen Luft eines gesunden und kampfesfreudigen, aber kriegablehnenden Pazifismus aufgewachsen ist. Das weiss man nicht. Man kennt nur staatlich verhetzte Jugend. Du bist ihre Frucht; du bist einer von ihnen – so, wie dein fliegender M"order einer von ihnen gewesen ist.

Darf ich deinen Kopf weicher betten? Oh, du bist schon tot. Ruhe in Frieden. Es ist der einzige, den sie dir gelassen haben.

Kaspar Hauser

Die Bilderausstellung eines Humoristen

Wie es Sonntagsreiter gibt – so gibt es Sonntagsmaler. Deren Bilder hat der franz"osische Schriftsteller Georges Courteline sein Leben lang gesammelt. Und diese Sammlung ist ausgestellt, bei Bernheim-Jeune in Paris in der Rue du Faubourg St. Honor'e. Das ist die merkw"urdigste Bilderausstellung, die ich seit langem zu sehen bekommen habe.

Courteline, ein Franzose mit Humor, ist Jahr um Jahr [39] friedlich auf dem linken Ufer in die kleinen Antiquit"atenl"aden gegangen, hat hier herumgestochert und hat da Zeit vertr"odelt, hat Dilettanten besucht und malende Schutzleute, malende Gasarbeiter, malende Volksschullehrer – ja, sogar malende Zollbeamte. Denn er hat wirklich und wahrhaftig einige Rousseaus besessen, aber er hat sie zu fr"uh verkauft, und weil er Humor sein eigen nannte, wird er wohl nicht geweint haben. Heute sind sie viel Geld wert. That is the humour of it [40] . Jedoch, was ihm geblieben ist, das ist schon heiter genug.

39

Jahr um Jahr –

год за годом

40

That is the humour of it – вот в чем соль; вот так шутка (англ.)

Die ganze Menscheng"ute dieses seltenen Mannes spricht aus der Bemerkung, mit der er jetzt in den franz"osischen Zeitungen dagegen protestiert, dass man seine Sammlung ein „Schreckenskabinett“ benenne – und das ist sie auch wirklich nicht. Er hat diese Bilder Namenloser lieb gehabt, und tats"achlich ist ja solche Pinselei nur durch einen haard"unnen Strich von manchen grossen Werken getrennt. Sehr schwer zu sagen, wo die blinde Naivit"at aufh"ort und die Kunst beginnt. Perlen h"angen da an den W"anden bei Bernheim.

Den malenden Laien reizt vor allem die Anekdote sowie das Gegenst"andliche. Diese Bilder erz"ahlen entweder eine Geschichte, oder sie bilden die Natur, den Menschen, die Tiere, die Sachen mit einem solchen Respekt ab, dass nur das mangelnde K"onnen zum Lachen reizt, nicht die Auffassung, nicht die Anschauung. Vom Auge bis zum malenden Arm war es einfach zu weit.

Eine Landschaft aus der Auvergne… ach, wenn die Natur so sch"on w"are! Wenn wir sie noch so sehen k"onnten! Eine Zwergenfamilie… das heisst: man weiss bei dieser Art Privatperspektive der Herren Sonntagsmaler nie, ob es Zwerge, Kinder oder Verzeichnete sind, die da stehen. Ganz ersten Ranges [41] : die Ermordung der Familie Kink durch Herrn M"order Troppmann.

41

ersten Ranges – на высшем уровне; первосортный

M"order Troppmann steht inmitten einer d"ustern Nachtlandschaft, in deren Hintergrund ein einsames, hohes, weisses Haus sehr unheimlich leuchtet. Auf dem Boden liegen blutig Vater, Mutter und viele Kinder, sie sind s"amtlich sorgf"altig rot angemalen, damit man auch weiss, was hier vor sich geht [42] . M"order Troppmann ist grade im Begriff [43] , einen Knaben, den er am Schlafittchen hat, niederzumachen; sogar seine Manschetten hat sich der Kerl besudelt, wie weit geht doch die menschliche Verworfenheit! Der Mond bricht – also darauf legt der Maler das gr"osste Gewicht – der Mond bricht durchs Gew"olk, das ist bei Morden so. Es ist ein sehr lehrreiches Bild.

42

was hier vor sich geht – что здесь происходит

43

im Begriffe sein – собираться (что-л. делать); готовиться; быть готовым

Ein Badebild mit weisser Hosenromantik; wundersch"one Soldatenbilder – merkw"urdig, wie oft das Milit"ar, das bunte, dazu dient, leere K"opfe zu f"ullen; seltsame Ankl"ange an James Ensor, Bilder mit zahllosen kleinen vision"aren M"annerchen [44] ; am allersch"onsten die Blumenst"ucke und die klaren Landschaften. Wir wollen uns nichts vormachen: so mancher snobistische Salon fiele brav herein, pr"asentierte man ihm diese Gem"alde als letzte Neuheit.

Man kann diese Bilder kaufen; nun gehn sie in alle Welt und werden in Privatgalerien h"angen und in Vorhallen, in Arbeitszimmern – sie werden l"acheln machen und nachdenken.

44

M"annerchen – человечки

Dass Georges Courteline so etwas gesammelt hat, wundert keinen, der diesen Mann kennt und liebt. Er ist "ubrigens nicht der einzige; so hat zum Beispiel der Maler Maurice Vlaminck etwas "Ahnliches – aber Courteline ist kein Maler. Er ist ein Dichter, und was f"ur einer!

Das Sch"onste, das Allersch"onste an dieser Ausstellung steht im Katalog, den Robert Rey, der Kunsthistoriker vom Luxembourg, sehr klug eingeleitet hat. Das ist das Wappen, das sich Courteline selbst entworfen hat. Ein heraldischer Scherz mit Spassl"owen und Scherzornamenten, nichts Bedeutendes. Aber unten, unter dem Wappen, zieht sich ein gemaltes Band, und auf dem steht ein Spruch.

Auf dem steht, Georges Courteline, der Spruch Ihres Lebens, und – verzeihen Sie – der des meinen auch. Nie wird mir einer glauben, dass dieselben Worte, genau dieselben Worte, seit Jahren in meinem Arbeitsbuch stehn, vorn auf der ersten Seite. Ihr ganzes Wesen ist darin, Courteline, genau das, um dessentwillen wir Sie lieben. Es sind nur zwei Worte und eine ganze Welt. Die Worte heissen:

„Et apr`es —? [45]

Na und —?

Die Welt verachten – das ist sehr leicht und meist ein Zeichen schlechter Verdauung. Aber die Welt verstehen, sie lieben und dann, aber erst dann, freundlich l"acheln, wenn alles vorbei ist —: das ist Humor. Courteline, Sie sind „nur“ in der Acad'emie Goncourt gewesen, und nicht in der „grossen“ Akademie, nicht in der richtigen – et apr`es? Ich weiss auch, dass manche meiner Landsleute Sie viel lieber haben als manche Franzosen. Die Franzosen, die so sagen: „Ja, aber immer diese Geschichten von Soldaten und von solchen H"ausern und von Rauchtabak und dem kleinen Caf'e – das ist gewiss sehr am"usant, ja, ja…“ und dann sprechen sie von ihrer gebildeten Literatur, von ihrer feinen, so psychologischen Literatur. Viele aber lieben Sie.

45

Et apr`es? –

И что дальше? Ну и что? (фр.)

Ich weiss nicht, ob Ihre Geschichten auf deutsch wirken, und ob das herauskommt, was in ihnen an Weisheit ist, an G"ute, an Skeptizismus, an Schmerz, an optimistischer Hoffnungslosigkeit. Wie im „Train de 8 h 47“ [46] die Soldaten, die endlich, endlich eine Dienstreise machen d"urfen, sich im Coup'e benehmen wie die losgelassenen Jungens, unanst"andige Lieder braven Damen, die einsteigen wollen, ins Gesicht br"ullen: Braaaah! – und durch ihr t"olpelhaftes Geschrei "uberh"oren, dass sie umsteigen m"ussen und sich verfahren… und wie das alles vor Echtheit blinkt und knallt… wie das fugenlos stimmt! Oder wie in der einzigen Geschichte von den „Ronds-de-Cuir“ [47] (den Bureaukraten) der kleine Roman auf der Erde anhebt, ganz real, o so wirklich! und sich dann langsam in den hellen Wolken des Wahnsinns verliert, um wieder zur"uckzukehren… M"oglich, dass man das "uberhaupt nicht "ubersetzen kann, nur nachdichten, vor allem: nur nachf"uhlen. „Un homme de mon age…!“ [48] protestiert ein Beamter w"ahrend eines Streites. Und der Gegner: „Taisez-vous, homme de votre age!“ [49] Das ist ein blitzender Kreisel an Ironie. Wie in den zahllosen Ausgaben der kleinen Szenen („Th'e^atre“) fast in jedem Dialog, fast in jeder kleinen Szene ein Satz, eine Wendung weit, weit "uber den Ulk hinausgeht, wie auf einmal ein Herz klopft, wo eben nur noch ein lachender Mund war – das bringt uns Deutschen den Courteline so nahe. Ich habe „Boubouroche“ [50] in der „Com'edie Francaise“ gesehen und habe auf die B"uhne springen wollen, den Leuten zu sagen, wie man das spielt. Also f"uhlen wir es anders, also legen wir in diese Vase andre Blumen hinein – und wenn sie tausendmal nicht auf franz"osischem Boden gewachsen sind: Victor Arnold hat den Boubouroche gespielt, und da wollen wir eine kleine Minute Schweigen einlegen.

46

Train de 8 h 47 – Поезд на 8 ч 47 мин (фр.)

47

Ronds-de-Cuir – секретарь и другие работники офиса; чиновники, бюрократы (фр.)

48

Un homme de mon age! – Человек моего возраста! (фр.)

49

Taisez-vous, homme de votre age! — Заткнитесь, в вашем-то возрасте! (фр.)

50

Boubouroche – театральная пьеса (фр.)

Ja, Courteline. Alles, was ich von ihm weiss, entspricht genau seinem Wappenspruch. Er war unneugierig, er schrieb nicht sehr viel, man durfte ihn, wenn man will, getrost faul nennen – aber das, was er gemacht hat, ist voll von Leben. Und bei allem Gef"uhl f"ur das n"otige Pathos, das um eine Geburt, um einen Schicksalsschlag, um Geld und um den Tod ist, er ist so sch"on pathoslos. Es ist nicht die flaue und billige "Uberlegenheit des Spiessers – es ist die echteste "Uberlegenheit des grossen K"unstlers.

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