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ЖАНРЫ

1915 Кары (сборник)
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"Ja. Deinem Freunde", sagte der Vater mit Betonung.

"Du weisst doch, Vater, dass ich ihm meine Verlobung zuerst verschweigen wollte. Aus R"ucksichtnahme, aus keinem anderen Grunde sonst. Du weisst selbst, er ist ein schwieriger Mensch. Ich sagte mir, von anderer Seite kann er von meiner Verlobung wohl erfahren, wenn das auch bei seiner einsamen Lebensweise kaum wahrscheinlich ist – das kann ich nicht hindern –, aber von mir selbst soll er es nun einmal nicht erfahren. "

"Und jetzt hast du es dir wieder anders "uberlegt?" fragte der Vater, legte die grosse Zeitung auf den Fensterbord und auf die Zeitung die Brille, die er mit der Hand bedeckte.

"Ja, jetzt habe ich es mir wieder "uberlegt. Wenn er mein guter Freund ist, sagte ich mir, dann ist meine gl"uckliche Verlobung auch f"ur ihn ein Gl"uck. Und deshalb habe ich nicht mehr gez"ogert, es ihm anzuzeigen. Ehe ich jedoch den Brief einwarf, wollte ich es dir sagen. "

"Georg", sagte der Vater und zog den zahnlosen Mund in die Breite, "h"or’ einmal! Du bist wegen dieser Sache zu mir gekommen, um dich mit mir zu beraten. Das ehrt dich ohne Zweifel. Aber es ist nichts, es ist "arger als nichts, wenn du mir jetzt nicht die volle Wahrheit sagst. Ich will nicht Dinge aufr"uhren, die nicht hierher geh"oren. Seit dem Tode unserer teueren Mutter sind gewisse unsch"one Dinge vorgegangen. Vielleicht kommt auch f"ur sie die Zeit und vielleicht kommt sie fr"uher, als wir denken. Im Gesch"aft entgeht mir manches, es wird mir vielleicht nicht verborgen – ich will jetzt gar nicht die Annahme machen, dass es mir verborgen wird –, ich bin nicht mehr kr"aftig genug, mein Ged"achtnis l"asst nach. Ich habe nicht mehr den Blick f"ur alle die vielen Sachen. Das ist erstens der Ablauf der Natur, und zweitens hat mich der Tod unseres M"utterchens viel mehr niedergeschlagen als dich. – Aber weil wir gerade bei dieser Sache sind, bei diesem Brief, so bitte ich dich Georg, t"ausche mich nicht. Es ist eine Kleinigkeit, es ist nicht des Atems wert, also t"ausche mich nicht. Hast du wirklich diesen Freund in Petersburg?"

Georg stand verlegen auf. "Lassen wir meine Freunde sein. Tausend Freunde ersetzen mir nicht meinen Vater. Weisst du, was ich glaube? Du schonst dich nicht genug. Aber das Alter verlangt seine Rechte. Du bist mir im Gesch"aft unentbehrlich, das weisst du ja sehr genau; aber wenn das Gesch"aft deine Gesundheit bedrohen sollte, sperre ich es noch morgen f"ur immer. Das geht nicht. Wir m"ussen da eine andere Lebensweise f"ur dich einf"uhren. Aber von Grund aus. Du sitzt hier im Dunkel, und im Wohnzimmer h"attest du sch"ones Licht. Du nippst vom Fr"uhst"uck, statt dich ordentlich zu st"arken. Du sitzt bei geschlossenem Fenster, und die Luft w"urde dir so gut tun. Nein Vater! Ich werde den Arzt holen und seine Vorschriften werden wir befolgen. Die Zimmer werden wir wechseln, du wirst ins Vorderzimmer ziehen, ich hierher. Es wird keine Ver"anderung f"ur dich sein, alles wird mit hin"ubergetragen. Aber das alles hat Zeit, jetzt lege dich noch ein wenig ins Bett, du brauchst unbedingt Ruhe. Komm, ich werde dir beim Ausziehn helfen, du wirst sehen, ich kann es. Oder willst du gleich ins Vorderzimmer gehn, dann legst du dich vorl"aufig in mein Bett. Das w"are "ubrigens sehr vern"unftig. "

Georg stand knapp neben seinem Vater, der den Kopf mit dem struppigen weissen Haar auf die Brust hatte sinken lassen.

"Georg", sagte der Vater leise, ohne Bewegung.

Georg kniete sofort neben dem Vater nieder, er sah die Pupillen in dem m"uden Gesicht des Vaters "ubergross in den Winkeln der Augen auf sich gerichtet.

"Du hast keinen Freund in Petersburg. Du bist immer ein Spassmacher gewesen und hast dich auch mir gegen"uber nicht zur"uckgehalten. Wie solltest du denn gerade dort einen Freund haben! Das kann ich gar nicht glauben. "

"Denk doch noch einmal nach, Vater", sagte Georg, hob den Vater vom Sessel und zog ihm, wie er nun doch recht schwach dastand, den Schlafrock aus, "jetzt wird es bald drei Jahre her sein, da war ja mein Freund bei uns zu Besuch. Ich erinnere mich noch, dass du ihn nicht besonders gern hattest. Wenigstens zweimal habe ich ihn vor dir verleugnet, trotzdem er gerade bei mir im Zimmer sass. Ich konnte ja deine Abneigung gegen ihn ganz gut verstehn, mein Freund hat seine Eigent"umlichkeiten. Aber dann hast du dich doch auch wieder ganz gut mit ihm unterhalten. Ich war damals noch so stolz darauf, dass du ihm zuh"ortest, nicktest und fragtest. Wenn du nachdenkst, musst du dich erinnern. Er erz"ahlte damals unglaubliche Geschichten von der russischen Revolution. Wie er z. B. auf einer Gesch"aftsreise in Kiew bei einem Tumult einen Geistlichen auf einem Balkon gesehen hatte, der sich ein breites Blutkreuz in die flache Hand schnitt, diese Hand erhob und die Menge anrief. Du hast ja selbst diese Geschichte hie und da wiedererz"ahlt. "

W"ahrenddessen war es Georg gelungen, den Vater wieder niederzusetzen und ihm die Trikothose, die er "uber den Leinenunterhosen trug, sowie die Socken vorsichtig auszuziehn. Beim Anblick der nicht besonders reinen W"asche machte er sich Vorw"urfe, den Vater vernachl"assigt zu haben. Es w"are sicherlich auch seine Pflicht gewesen, "uber den W"aschewechsel seines Vaters zu wachen. Er hatte mit seiner Braut dar"uber noch nicht ausdr"ucklich gesprochen, wie sie die Zukunft des Vaters einrichten wollten, aber sie hatten stillschweigend vorausgesetzt, dass der Vater allein in der alten Wohnung bleiben w"urde. Doch jetzt entschloss er sich kurz mit aller Bestimmtheit, den Vater in seinen k"unftigen Haushalt mitzunehmen. Es schien ja fast, wenn man genauer zusah, dass die Pflege, die dort dem Vater bereitet werden sollte, zu sp"at kommen k"onnte.

Auf seinen Armen trug er den Vater ins Bett. Ein schreckliches Gef"uhl hatte er, als er w"ahrend der paar Schritte zum Bett hin merkte, dass an seiner Brust der Vater mit seiner Uhrkette spiele. Er konnte ihn nicht gleich ins Bett legen, so fest hielt er sich an dieser Uhrkette.

Kaum war er aber im Bett, schien alles gut. Er deckte sich selbst zu und zog dann die Bettdecke noch besonders weit "uber die Schulter. Er sah nicht unfreundlich zu Georg hinauf.

"Nicht wahr, du erinnerst dich schon an ihn?" fragte Georg und nickte ihm aufmunternd zu.

"Bin ich jetzt gut zugedeckt?" fragte der Vater, als k"onne er nicht nachschauen, ob die F"usse genug bedeckt seien.

"Es gef"allt dir also schon im Bett", sagte Georg und legte das Deckzeug besser um ihn.

"Bin ich gut zugedeckt?" fragte der Vater noch einmal und schien auf die Antwort besonders aufzupassen.

"Sei nur ruhig, du bist gut zugedeckt. "

"Nein! " rief der Vater, dass die Antwort an die Frage stiess, warf die Decke zur"uck mit einer Kraft, dass sie einen Augenblick im Fluge sich ganz entfaltete, und stand aufrecht im Bett. Nur eine Hand hielt er leicht an den Plafond. "Du wolltest mich zudecken, das weiss ich, mein Fr"uchtchen, aber zugedeckt bin ich noch nicht. Und ist es auch die letzte Kraft, genug f"ur dich, zuviel f"ur dich! Wohl kenne ich deinen Freund. Er w"are ein Sohn nach meinem Herzen. Darum hast du ihn auch betrogen die ganzen Jahre lang. Warum sonst? Glaubst du, ich habe nicht um ihn geweint? Darum doch sperrst du dich in dein Bureau, niemand soll st"oren, der Chef ist besch"aftigt – nur damit du deine falschen Briefchen nach Russland schreiben kannst. Aber den Vater muss gl"ucklicherweise niemand lehren, den Sohn zu durchschauen. Wie du jetzt geglaubt hast, du h"attest ihn untergekriegt, so untergekriegt, dass du dich mit deinem Hintern auf ihn setzen kannst und er r"uhrt sich nicht, da hat sich mein Herr Sohn zum Heiraten entschlossen! "

Georg sah zum Schreckbild seines Vaters auf. Der Petersburger Freund, den der Vater pl"otzlich so gut kannte, ergriff ihn, wie noch nie. Verloren im weiten Russland sah er ihn. An der T"ure des leeren, ausgeraubten Gesch"aftes sah er ihn. Zwischen den Tr"ummern der Regale, den zerfetzten Waren, den fallenden Gasarmen stand er gerade noch. Warum hatte er so weit wegfahren m"ussen!

"Aber schau mich an! " rief der Vater, und Georg lief, fast zerstreut, zum Bett, um alles zu fassen, stockte aber in der Mitte des Weges.

"Weil sie die R"ocke gehoben hat", fing der Vater zu fl"oten an, "weil sie die R"ocke so gehoben hat, die widerliche Gans", und er hob, um das darzustellen, sein Hemd so hoch, dass man auf seinem Oberschenkel die Narbe aus seinen Kriegsjahren sah, "weil sie die R"ocke so und so und so gehoben hat, hast du dich an sie herangemacht, und damit du an ihr ohne St"orung dich befriedigen kannst, hast du unserer Mutter Andenken gesch"andet, den Freund verraten und deinen Vater ins Bett gesteckt, damit er sich nicht r"uhren kann. Aber kann er sich r"uhren oder nicht? "

Und er stand vollkommen frei und warf die Beine. Er strahlte vor Einsicht.

Georg stand in einem Winkel, m"oglichst weit vom Vater. Vor einer langen Weile hatte er sich fest entschlossen, alles vollkommen genau zu beobachten, damit er nicht irgendwie auf Umwegen, von hinten her, von oben herab "uberrascht werden k"onne. Jetzt erinnerte er sich wieder an den l"angst vergessenen Entschluss und vergass ihn, wie man einen kurzen Faden durch ein Nadel"ohr zieht.

"Aber der Freund ist nun doch nicht verraten! " rief der Vater, und sein hin- und herbewegter Zeigefinger bekr"aftigte es. "Ich war sein Vertreter hier am Ort. "

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