1915 Кары (сборник)
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Mit einer Art Eigensinn weigerte sich der Vater auch, zu Hause seine Dieneruniform abzulegen; und w"ahrend der Schlafrock nutzlos am Kleiderhaken hing, schlummerte der Vater vollst"andig angezogen auf seinem Platz, als sei er immer zu seinem Dienste bereit und warte auch hier auf die Stimme des Vorgesetzten. Infolgedessen verlor die gleich anfangs nicht neue Uniform trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester an Reinlichkeit, und Gregor sah oft ganze Abende lang auf dieses "uber und "uber fleckige, mit seinen stets geputzten Goldkn"opfen leuchtende Kleid, in dem der alte Mann h"ochst unbequem und doch ruhig schlief.
Sobald die Uhr zehn schlug, suchte die Mutter durch leise Zusprache den Vater zu wecken und dann zu "uberreden, ins Bett zu gehen, denn hier war es doch kein richtiger Schlaf und diesen hatte der Vater, der um sechs Uhr seinen Dienst antreten musste, "ausserst n"otig. Aber in dem Eigensinn, der ihn, seitdem er Diener war, ergriffen hatte, bestand er immer darauf, noch l"anger bei Tisch zu bleiben, trotzdem er regelm"assig einschlief, und war dann "uberdies nur mit der gr"ossten M"uhe zu bewegen, den Sessel mit dem Bett zu vertauschen. Da mochten Mutter und Schwester mit kleinen Ermahnungen noch so sehr auf ihn eindringen, viertelstundenlang sch"uttelte er langsam den Kopf, hielt die Augen geschlossen und stand nicht auf. Die Mutter zupfte ihn am "Armel, sagte ihm Schmeichelworte ins Ohr, die Schwester verliess ihre Aufgabe, um der Mutter zu helfen, aber beim Vater verfing das nicht. Er versank nur noch tiefer in seinen Sessel. Erst bis ihn die Frauen unter den Achseln fassten, schlug er die Augen auf, sah abwechselnd die Mutter und die Schwester an und pflegte zu sagen: "Das ist ein Leben. Das ist die Ruhe meiner alten Tage. " Und auf die beiden Frauen gest"utzt, erhob er sich, umst"andlich, als sei er f"ur sich selbst die gr"osste Last, liess sich von den Frauen bis zur T"ure f"uhren, winkte ihnen dort ab und ging nun selbst"andig weiter, w"ahrend die Mutter ihr N"ahzeug, die Schwester ihre Feder eiligst hinwarfen, um hinter dem Vater zu laufen und ihm weiter behilflich zu sein.
Wer hatte in dieser abgearbeiteten und "uberm"udeten Familie Zeit, sich um Gregor mehr zu k"ummern, als unbedingt n"otig war? Der Haushalt wurde immer mehr eingeschr"ankt; das Dienstm"adchen wurde nun doch entlassen; eine riesige knochige Bedienerin mit weissem, den Kopf umflatterndem Haar kam des Morgens und des Abends, um die schwerste Arbeit zu leisten; alles andere besorgte die Mutter neben ihrer vielen N"aharbeit. Es geschah sogar, dass verschiedene Familienschmuckst"ucke, welche fr"uher die Mutter und die Schwester "ubergl"ucklich bei Unterhaltungen und Feierlichkeiten getragen hatten, verkauft wurden, wie Gregor am Abend aus der allgemeinen Besprechung der erzielten Preise erfuhr. Die gr"osste Klage war aber stets, dass man diese f"ur die gegenw"artigen Verh"altnisse allzugrosse Wohnung nicht verlassen konnte, da es nicht auszudenken war, wie man Gregor "ubersiedeln sollte. Aber Gregor sah wohl ein, dass es nicht nur die R"ucksicht auf ihn war, welche eine "Ubersiedlung verhinderte, denn ihn h"atte man doch in einer passenden Kiste mit ein paar Luftl"ochern leicht transportieren k"onnen; was die Familie haupts"achlich vom Wohnungswechsel abhielt, war vielmehr die v"ollige Hoffnungslosigkeit und der Gedanke daran, dass sie mit einem Ungl"uck geschlagen war, wie niemand sonst im ganzen Verwandten- und Bekanntenkreis. Was die Welt von armen Leuten verlangt, erf"ullten sie bis zum "aussersten, der Vater holte den kleinen Bankbeamten das Fr"uhst"uck, die Mutter opferte sich f"ur die W"asche fremder Leute, die Schwester lief nach dem Befehl der Kunden hinter dem Pulte hin und her, aber weiter reichten die Kr"afte der Familie schon nicht. Und die Wunde im R"ucken fing Gregor wie neu zu schmerzen an, wenn Mutter und Schwester, nachdem sie den Vater zu Bett gebracht hatten, nun zur"uckkehrten, die Arbeit liegen liessen, nahe zusammenr"uckten, schon Wange an Wange sassen; wenn jetzt die Mutter, auf Gregors Zimmer zeigend, sagte: "Mach’ dort die T"ur zu, Grete," und wenn nun Gregor wieder im Dunkel war, w"ahrend nebenan die Frauen ihre Tr"anen vermischten oder gar tr"anenlos den Tisch anstarrten.
Die N"achte und Tage verbrachte Gregor fast ganz ohne Schlaf. Manchmal dachte er daran, beim n"achsten "Offnen der T"ur die Angelegenheiten der Familie ganz so wie fr"uher wieder in die Hand zu nehmen; in seinen Gedanken erschienen wieder nach langer Zeit der Chef und der Prokurist, die Kommis und die Lehrjungen, der so begriffsst"utzige Hausknecht, zwei drei Freunde aus anderen Gesch"aften, ein Stubenm"adchen aus einem Hotel in der Provinz, eine liebe, fl"uchtige Erinnerung, eine Kassiererin aus einem Hutgesch"aft, um die er sich ernsthaft, aber zu langsam beworben hatte – sie alle erschienen untermischt mit Fremden oder schon Vergessenen, aber statt ihm und seiner Familie zu helfen, waren sie s"amtlich unzug"anglich, und er war froh, wenn sie verschwanden. Dann aber war er wieder gar nicht in der Laune, sich um seine Familie zu sorgen, bloss Wut "uber die schlechte Wartung erf"ullte ihn, und trotzdem er sich nichts vorstellen konnte, worauf er Appetit gehabt h"atte, machte er doch Pl"ane, wie er in die Speisekammer gelangen k"onnte, um dort zu nehmen, was ihm, auch wenn er keinen Hunger hatte, immerhin geb"uhrte. Ohne jetzt mehr nachzudenken, womit man Gregor einen besonderen Gefallen machen k"onnte, schob die Schwester eiligst, ehe sie morgens und mittags ins Gesch"aft lief, mit dem Fuss irgendeine beliebige Speise in Gregors Zimmer hinein, um sie am Abend, gleichg"ultig dagegen, ob die Speise vielleicht nur verkostet oder – der h"aufigste Fall – g"anzlich unber"uhrt war, mit einem Schwenken des Besens hinauszukehren. Das Aufr"aumen des Zimmers, das sie nun immer abends besorgte, konnte gar nicht mehr schneller getan sein. Schmutzstreifen zogen sich die W"ande entlang, hie und da lagen Kn"auel von Staub und Unrat. In der ersten Zeit stellte sich Gregor bei der Ankunft der Schwester in derartige besonders bezeichnende Winkel, um ihr durch diese Stellung gewissermassen einen Vorwurf zu machen. Aber er h"atte wohl wochenlang dort bleiben k"onnen, ohne dass sich die Schwester gebessert h"atte; sie sah ja den Schmutz genau so wie er, aber sie hatte sich eben entschlossen, ihn zu lassen. Dabei wachte sie mit einer an ihr ganz neuen Empfindlichkeit, die "uberhaupt die ganze Familie ergriffen hatte, dar"uber, dass das Aufr"aumen von Gregors Zimmer ihr vorbehalten blieb. Einmal hatte die Mutter Gregors Zimmer einer grossen Reinigung unterzogen, die ihr nur nach Verbrauch einiger K"ubel Wasser gelungen war – die viele Feuchtigkeit kr"ankte allerdings Gregor auch und er lag breit, verbittert und unbeweglich auf dem Kanapee –, aber die Strafe blieb f"ur die Mutter nicht aus. Denn kaum hatte am Abend die Schwester die Ver"anderung in Gregors Zimmer bemerkt, als sie, aufs h"ochste beleidigt, ins Wohnzimmer lief und, trotz der beschw"orend erhobenen H"ande der Mutter, in einen Weinkrampf ausbrach, dem die Eltern – der Vater war nat"urlich aus seinem Sessel aufgeschreckt worden – zuerst erstaunt und hilflos zusahen, bis auch sie sich zu r"uhren anfingen; der Vater rechts der Mutter Vorw"urfe machte, dass sie Gregors Zimmer nicht der Schwester zur Reinigung "uberliess; links dagegen die Schwester anschrie, sie werde niemals mehr Gregors Zimmer reinigen d"urfen; w"ahrend die Mutter den Vater, der sich vor Erregung nicht mehr kannte, ins Schlafzimmer zu schleppen suchte; die Schwester, von Schluchzen gesch"uttelt, mit ihren kleinen F"austen den Tisch bearbeitete; und Gregor laut vor Wut dar"uber zischte, dass es keinem einfiel, die T"ur zu schliessen und ihm diesen Anblick und L"arm zu ersparen.
Aber selbst wenn die Schwester, ersch"opft von ihrer Berufsarbeit, dessen "uberdr"ussig geworden war, f"ur Gregor, wie fr"uher, zu sorgen, so h"atte noch keineswegs die Mutter f"ur sie eintreten m"ussen und Gregor h"atte doch nicht vernachl"assigt werden brauchen. Denn nun war die Bedienerin da. Diese alte Witwe, die in ihrem langen Leben mit Hilfe ihres starken Knochenbaues das "Argste "uberstanden haben mochte, hatte keinen eigentlichen Abscheu vor Gregor. Ohne irgendwie neugierig zu sein, hatte sie zuf"allig einmal die T"ur von Gregors Zimmer aufgemacht und war im Anblick Gregors, der, g"anzlich "uberrascht, trotzdem ihn niemand jagte, hin und herzulaufen begann, die H"ande im Schoss gefaltet staunend stehen geblieben. Seitdem vers"aumte sie nicht, stets fl"uchtig morgens und abends die T"ur ein wenig zu "offnen und zu Gregor hineinzuschauen. Anfangs rief sie ihn auch zu sich herbei, mit Worten, die sie wahrscheinlich f"ur freundlich hielt, wie "Komm mal her"uber, alter Mistk"afer!" oder "Seht mal den alten Mistk"afer!" Auf solche Ansprachen antwortete Gregor mit nichts, sondern blieb unbeweglich auf seinem Platz, als sei die T"ur gar nicht ge"offnet worden. H"atte man doch dieser Bedienerin, statt sie nach ihrer Laune ihn nutzlos st"oren zu lassen, lieber den Befehl gegeben, sein Zimmer t"aglich zu reinigen! Einmal am fr"uhen Morgen – ein heftiger Regen, vielleicht schon ein Zeichen des kommenden Fr"uhjahrs, schlug an die Scheiben – war Gregor, als die Bedienerin mit ihren Redensarten wieder begann, derartig erbittert, dass er, wie zum Angriff, allerdings langsam und hinf"allig, sich gegen sie wendete. Die Bedienerin aber, statt sich zu f"urchten, hob bloss einen in der N"ahe der T"ur befindlichen Stuhl hoch empor, und wie sie mit gross ge"offnetem Munde dastand, war ihre Absicht klar, den Mund erst zu schliessen, wenn der Sessel in ihrer Hand auf Gregors R"ucken niederschlagen w"urde. "Also weiter geht es nicht?" fragte sie, als Gregor sich wieder umdrehte, und stellte den Sessel ruhig in die Ecke zur"uck.
Gregor ass nun fast gar nichts mehr. Nur wenn er zuf"allig an der vorbereiteten Speise vor"uberkam, nahm er zum Spiel einen Bissen in den Mund, hielt ihn dort stundenlang und spie ihn dann meist wieder aus. Zuerst dachte er, es sei die Trauer "uber den Zustand seines Zimmers, die ihn vom Essen abhalte, aber gerade mit den Ver"anderungen des Zimmers s"ohnte er sich sehr bald aus. Man hatte sich angew"ohnt, Dinge, die man anderswo nicht unterbringen konnte, in dieses Zimmer hineinzustellen, und solcher Dinge gab es nun viele, da man ein Zimmer der Wohnung an drei Zimmerherren vermietet hatte. Diese ernsten Herren – alle drei hatten Vollb"arte, wie Gregor einmal durch eine T"urspalte feststellte – waren peinlich auf Ordnung, nicht nur in ihrem Zimmer, sondern, da sie sich nun einmal hier eingemietet hatten, in der ganzen Wirtschaft, also insbesondere in der K"uche, bedacht. Unn"utzen oder gar schmutzigen Kram ertrugen sie nicht. "Uberdies hatten sie zum gr"ossten Teil ihre eigenen Einrichtungsst"ucke mitgebracht. Aus diesem Grunde waren viele Dinge "uberfl"ussig geworden, die zwar nicht verk"auflich waren, die man aber auch nicht wegwerfen wollte. Alle diese wanderten in Gregors Zimmer. Ebenso auch die Aschenkiste und die Abfallkiste aus der K"uche. Was nur im Augenblick unbrauchbar war, schleuderte die Bedienerin, die es immer sehr eilig hatte, einfach in Gregors Zimmer; Gregor sah gl"ucklicherweise meist nur den betreffenden Gegenstand und die Hand, die ihn hielt. Die Bedienerin hatte vielleicht die Absicht, bei Zeit und Gelegenheit die Dinge wieder zu holen oder alle insgesamt mit einemmal hinauszuwerfen, tats"achlich aber blieben sie dort liegen, wohin sie durch den ersten Wurf gekommen waren, wenn nicht Gregor sich durch das Rumpelzeug wand und es in Bewegung brachte, zuerst gezwungen, weil kein sonstiger Platz zum Kriechen frei war, sp"ater aber mit wachsendem Vergn"ugen, obwohl er nach solchen Wanderungen, zum Sterben m"ude und traurig, wieder stundenlang sich nicht r"uhrte.
Da die Zimmerherren manchmal auch ihr Abendessen zu Hause im gemeinsamen Wohnzimmer einnahmen, blieb die Wohnzimmert"ur an manchen Abenden geschlossen, aber Gregor verzichtete ganz leicht auf das "offnen der T"ur, hatte er doch schon manche Abende, an denen sie ge"offnet war, nicht ausgen"utzt, sondern war, ohne dass es die Familie merkte, im dunkelsten Winkel seines Zimmers gelegen. Einmal aber hatte die Bedienerin die T"ur zum Wohnzimmer ein wenig offen gelassen, und sie blieb so offen, auch als die Zimmerherren am Abend eintraten und Licht gemacht wurde. Sie setzten sich oben an den Tisch, wo in fr"uheren Zeiten der Vater, die Mutter und Gregor gegessen hatten, entfalteten die Servietten und nahmen Messer und Gabel in die Hand. Sofort erschien in der T"ur die Mutter mit einer Sch"ussel Fleisch und knapp hinter ihr die Schwester mit einer Sch"ussel hochgeschichteter Kartoffeln. Das Essen dampfte mit starkem Rauch. Die Zimmerherren beugten sich "uber die vor sie hingestellten Sch"usseln, als wollten sie sie vor dem Essen pr"ufen, und tats"achlich zerschnitt der, welcher in der Mitte sass und den anderen zwei als Autorit"at zu gelten schien, ein St"uck Fleisch noch auf der Sch"ussel, offenbar um festzustellen, ob es m"urbe genug sei und ob es nicht etwa in die K"uche zur"uckgeschickt werden solle. Er war befriedigt, und Mutter und Schwester, die gespannt zugesehen hatten, begannen aufatmend zu l"acheln.
Die Familie selbst ass in der K"uche. Trotzdem kam der Vater, ehe er in die K"uche ging, in dieses Zimmer herein und machte mit einer einzigen Verbeugung, die Kappe in der Hand, einen Rundgang um den Tisch. Die Zimmerherren erhoben sich s"amtlich und murmelten etwas in ihre B"arte. Als sie dann allein waren, assen sie fast unter vollkommenem Stillschweigen. Sonderbar schien es Gregor, dass man aus allen mannigfachen Ger"auschen des Essens immer wieder ihre kauenden Z"ahne heraush"orte, als ob damit Gregor gezeigt werden sollte, dass man Z"ahne brauche, um zu essen, und dass man auch mit den sch"onsten zahnlosen Kiefern nichts ausrichten k"onne. "Ich habe ja Appetit", sagte sich Gregor sorgenvoll, "aber nicht auf diese Dinge. Wie sich diese Zimmerherren n"ahren, und ich komme um! "
Gerade an diesem Abend – Gregor erinnerte sich nicht, w"ahrend der ganzen Zeit die Violine geh"ort zu haben – ert"onte sie von der K"uche her. Die Zimmerherren hatten schon ihr Nachtmahl beendet, der mittlere hatte eine Zeitung hervorgezogen, den zwei anderen je ein Blatt gegeben, und nun lasen sie zur"uckgelehnt und rauchten. Als die Violine zu spielen begann, wurden sie aufmerksam, erhoben sich und gingen auf den Fussspitzen zur Vorzimmert"ur, in der sie aneinandergedr"angt stehen blieben. Man musste sie von der K"uche aus geh"ort haben, denn der Vater rief: "Ist den Herren das Spiel vielleicht unangenehm? Es kann sofort eingestellt werden." "Im Gegenteil", sagte der mittlere der Herren, "m"ochte das Fr"aulein nicht zu uns hereinkommen und hier im Zimmer spielen, wo es doch viel bequemer und gem"utlicher ist?" "0 bitte", rief der Vater, als sei er der Violinspieler. Die Herren traten ins Zimmer zur"uck und warteten. Bald kam der Vater mit dem Notenpult, die Mutter mit den Noten und die Schwester mit der Violine. Die Schwester bereitete alles ruhig zum Spiele vor; die Eltern, die niemals fr"uher Zimmer vermietet hatten und deshalb die H"oflichkeit gegen die Zimmerherren "ubertrieben, wagten gar nicht, sich auf ihre eigenen Sessel zu setzen; der Vater lehnte an der T"ur, die rechte Hand zwischen zwei Kn"opfe des geschlossenen Livreerockes gesteckt; die Mutter aber erhielt von einem Herrn einen Sessel angeboten und sass, da sie den Sessel dort liess, wohin ihn der Herr zuf"allig gestellt hatte, abseits in einem Winkel.
Die Schwester begann zu spielen; Vater und Mutter verfolgten, jeder von seiner Seite, aufmerksam die Bewegungen ihrer H"ande. Gregor hatte, von dem Spiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im Wohnzimmer. Er wunderte sich kaum dar"uber, dass er in letzter Zeit so wenig R"ucksicht auf die andern nahm; fr"uher war diese R"ucksichtnahme sein Stolz gewesen. Und dabei h"atte er gerade jetzt mehr Grund gehabt, sich zu verstecken, denn infolge des Staubes, der in seinem Zimmer "uberall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war auch er ganz staubbedeckt; F"aden, Haare, Speise"uberreste schleppte er auf seinem R"ucken und an den Seiten mit sich herum; seine Gleichg"ultigkeit gegen alles war viel zu gross, als dass er sich, wie fr"uher mehrmals w"ahrend des Tages, auf den R"ucken gelegt und am Teppich gescheuert h"atte. Und trotz dieses Zustandes hatte er keine Scheu, ein St"uck auf dem makellosen Fussboden des Wohnzimmers vorzur"ucken.
Allerdings achtete auch niemand auf ihn. Die Familie war g"anzlich vom Violinspiel in Anspruch genommen; die Zimmerherren dagegen, die zun"achst, die H"ande in den Hosentaschen, viel zu nahe hinter dem Notenpult der Schwester sich aufgestellt hatten, so dass sie alle in die Noten h"atten sehen k"onnen, was sicher die Schwester st"oren musste, zogen sich bald unter halblauten Gespr"achen mit gesenkten K"opfen zum Fenster zur"uck, wo sie, vom Vater besorgt beobachtet, auch blieben. Es hatte nun wirklich den "uberdeutlichen Anschein, als w"aren sie in ihrer Annahme, ein sch"ones oder unterhaltendes Violinspiel zu h"oren, entt"auscht, h"atten die ganze Vorf"uhrung satt und liessen sich nur aus H"oflichkeit noch in ihrer Ruhe st"oren. Besonders die Art, wie sie alle aus Nase und Mund den Rauch ihrer Zigarren in die H"ohe bliesen, liess auf grosse Nervosit"at schliessen. Und doch spielte die Schwester so sch"on. Ihr Gesicht war zur Seite geneigt, pr"ufend und traurig folgten ihre Blicke den Notenzeilen. Gregor kroch noch ein St"uck vorw"arts und hielt den Kopf eng an den Boden, um m"oglicherweise ihren Blicken begegnen zu k"onnen. War er ein Tier, da ihn Musik so ergriff? Ihm war, als zeige sich ihm der Weg zu der ersehnten unbekannten Nahrung. Er war entschlossen, bis zur Schwester vorzudringen, sie am Rock zu zupfen und ihr dadurch anzudeuten, sie m"oge doch mit ihrer Violine in sein Zimmer kommen, denn niemand lohnte hier das Spiel so, wie er es lohnen wollte. Er wollte sie nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte; seine Schreckgestalt sollte ihm zum erstenmal n"utzlich werden; an allen T"uren seines Zimmers wollte er gleichzeitig sein und den Angreifern entgegenfauchen; die Schwester aber sollte nicht gezwungen, sondern freiwillig bei ihm bleiben; sie sollte neben ihm auf dem Kanapee sitzen, das Ohr zu ihm herunterneigen, und er wollte ihr dann anvertrauen, dass er die feste Absicht gehabt habe, sie auf das Konservatorium zu schicken, und dass er dies, wenn nicht das Ungl"uck dazwischen gekommen w"are, vergangene Weihnachten – Weihnachten war doch wohl schon vor"uber? – allen gesagt h"atte, ohne sich um irgendwelche Widerreden zu k"ummern. Nach dieser Erkl"arung w"urde die Schwester in Tr"anen der R"uhrung ausbrechen, und Gregor w"urde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals k"ussen, den sie, seitdem sie ins Gesch"aft ging, frei ohne Band oder Kragen trug.