1915 Кары (сборник)
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W"ahrend aber Gregor unmittelbar keine Neuigkeit erfahren konnte, erhorchte er manches aus den Nebenzimmern, und wo er nur einmal Stimmen h"orte, lief er gleich zu der betreffenden T"ur und dr"uckte sich mit ganzem Leib an sie. Besonders in der ersten Zeit gab es kein Gespr"ach, das nicht irgendwie, wenn auch nur im geheimen, von ihm handelte. Zwei Tage lang waren bei allen Mahlzeiten Beratungen dar"uber zu h"oren, wie man sich jetzt verhalten solle; aber auch zwischen den Mahlzeiten sprach man "uber das gleiche Thema, denn immer waren zumindest zwei Familienmitglieder zu Hause, da wohl niemand allein zu Hause bleiben wollte und man die Wohnung doch auf keinen Fall g"anzlich verlassen konnte. Auch hatte das Dienstm"adchen gleich am ersten Tag – es war nicht ganz klar, was und wieviel sie von dem Vorgefallenen wusste – knief"allig die Mutter gebeten, sie sofort zu entlassen, und als sie sich eine Viertelstunde danach verabschiedete, dankte sie f"ur die Entlassung unter Tr"anen, wie f"ur die gr"osste Wohltat, die man ihr hier erwiesen hatte, und gab, ohne dass man es von ihr verlangte, einen f"urchterlichen Schwur ab, niemandem auch nur das Geringste zu verraten.
Nun musste die Schwester im Verein mit der Mutter auch kochen; allerdings machte das nicht viel M"uhe, denn man ass fast nichts. Immer wieder h"orte Gregor, wie der eine den anderen vergebens zum Essen aufforderte und keine andere Antwort bekam, als: "Danke, ich habe genug" oder etwas "Ahnliches. Getrunken wurde vielleicht auch nichts. "Ofters fragte die Schwester den Vater, ob er Bier haben wolle, und herzlich erbot sie sich, es selbst zu holen, und als der Vater schwieg, sagte sie, um ihm jedes Bedenken zu nehmen, sie k"onne auch die Hausmeisterin darum schicken, aber dann sagte der Vater schliesslich ein grosses "Nein", und es wurde nicht mehr davon gesprochen.
Schon im Laufe des ersten Tages legte der Vater die ganzen Verm"ogensverh"altnisse und Aussichten sowohl der Mutter, als auch der Schwester dar. Hie und da stand er vom Tische auf und holte aus seiner kleinen Wertheimkassa, die er aus dem vor f"unf Jahren erfolgten Zusammenbruch seines Gesch"aftes gerettet hatte, irgendeinen Beleg oder irgendein Vormerkbuch. Man h"orte, wie er das komplizierte Schloss aufsperrte und nach Entnahme des Gesuchten wieder verschloss. Diese Erkl"arungen des Vaters waren zum Teil das erste Erfreuliche, was Gregor seit seiner Gefangenschaft zu h"oren bekam. Er war der Meinung gewesen, dass dem Vater von jenem Gesch"aft her nicht das Geringste "ubriggeblieben war, zumindest hatte ihm der Vater nichts Gegenteiliges gesagt, und Gregor allerdings hatte ihn auch nicht darum gefragt. Gregors Sorge war damals nur gewesen, alles daranzusetzen, um die Familie das gesch"aftliche Ungl"uck, das alle in eine vollst"andige Hoffnungslosigkeit gebracht hatte, m"oglichst rasch vergessen zu lassen. Und so hatte er damals mit ganz besonderem Feuer zu arbeiten angefangen und war fast "uber Nacht aus einem kleinen Kommis ein Reisender geworden, der nat"urlich ganz andere M"oglichkeiten des Geldverdienens hatte, und dessen Arbeitserfolge sich sofort in Form der Provision zu Bargeld verwandelten, das der erstaunten und begl"uckten Familie zu Hause auf den Tisch gelegt werden konnte. Es waren sch"one Zeiten gewesen, und niemals nachher hatten sie sich, wenigstens in diesem Glanze, wiederholt, trotzdem Gregor sp"ater so viel Geld verdiente, dass er den Aufwand der ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug. Man hatte sich eben daran gew"ohnt, sowohl die Familie, als auch Gregor, man nahm das Geld dankbar an, er lieferte es gern ab, aber eine besondere W"arme wollte sich nicht mehr ergeben. Nur die Schwester war Gregor doch noch nahe geblieben, und es war sein geheimer Plan, sie, die zum Unterschied von Gregor Musik sehr liebte und r"uhrend Violine zu spielen verstand, n"achstes Jahr, ohne R"ucksicht auf die grossen Kosten, die das verursachen musste, und die man schon auf andere Weise hereinbringen w"urde, auf das Konservatorium zu schicken. "Ofters w"ahrend der kurzen Aufenthalte Gregors in der Stadt wurde in den Gespr"achen mit der Schwester das Konservatorium erw"ahnt, aber immer nur als sch"oner Traum, an dessen Verwirklichung nicht zudenken war, und die Eltern h"orten nicht einmal diese unschuldigen Erw"ahnungen gern; aber Gregor dachte sehr bestimmt daran und beabsichtigte, es am Weihnachtsabend feierlich zu erkl"aren.
Solche in seinem gegenw"artigen Zustand ganz nutzlose Gedanken gingen ihm durch den Kopf, w"ahrend er dort aufrecht an der T"ure klebte und horchte. Manchmal konnte er vor allgemeiner M"udigkeit gar nicht mehr zuh"oren und liess den Kopf nachl"assig gegen die T"ur schlagen, hielt ihn aber sofort wieder fest, denn selbst das kleine Ger"ausch, das er damit verursacht hatte, war nebenan geh"ort worden und hatte alle verstummen lassen. "Was er nur wieder treibt", sagte der Vater nach einer Weile, offenbar zur T"ure hingewendet, und dann erst wurde das unterbrochene Gespr"ach allm"ahlich wieder aufgenommen.
Gregor erfuhr nun zur Gen"uge – denn der Vater pflegte sich in seinen Erkl"arungen "ofters zu wiederholen, teils, weil er selbst sich mit diesen Dingen schon lange nicht besch"aftigt hatte, teils auch, weil die Mutter nicht alles gleich beim ersten Mal verstand –, dass trotz allen Ungl"ucks ein allerdings ganz kleines Verm"ogen aus der alten Zeit noch vorhanden war, das die nicht anger"uhrten Zinsen in der Zwischenzeit ein wenig hatten anwachsen lassen. Ausserdem aber war das Geld, das Gregor allmonatlich nach Hause gebracht hatte – er selbst hatte nur ein paar Gulden f"ur sich behalten –, nicht vollst"andig aufgebraucht worden und hatte sich zu einem kleinen Kapital angesammelt. Gregor, hinter seiner T"ure, nickte eifrig, erfreut "uber diese unerwartete Vorsicht und Sparsamkeit. Eigentlich h"atte er ja mit diesen "ubersch"ussigen Geldern die Schuld des Vaters gegen"uber dem Chef weiter abgetragen haben k"onnen, und jener Tag, an dem er diesen Posten h"atte loswerden k"onnen, w"are weit n"aher gewesen, aber jetzt war es zweifellos besser so, wie es der Vater eingerichtet hatte. Nun gen"ugte dieses Geld aber ganz und gar nicht, um die Familie etwa von den Zinsen leben zu lassen; es gen"ugte vielleicht, um die Familie ein, h"ochstens zwei Jahre zu erhalten, mehr war es nicht. Es war also bloss eine Summe, die man eigentlich nicht angreifen durfte, und die f"ur den Notfall zur"uckgelegt werden musste; das Geld zum Leben aber musste man verdienen. Nun war aber der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon f"unf Jahre nichts gearbeitet hatte und sich jedenfalls nicht viel zutrauen durfte; er hatte in diesen f"unf Jahren, welche die ersten Ferien seines m"uhevollen und doch erfolglosen Lebens waren, viel Fett angesetzt und war dadurch recht schwerf"allig geworden. Und die alte Mutter sollte nun vielleicht Geld verdienen, die an Asthma litt, der eine Wanderung durch die Wohnung schon Anstrengung verursachte, und die jeden zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster verbrachte? Und die Schwester sollte Geld verdienen, die noch ein Kind war mit ihren siebzehn Jahren, und der ihre bisherige Lebensweise so sehr zu g"onnen war, die daraus bestanden hatte, sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergn"ugungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen? Wenn die Rede auf diese Notwendigkeit des Geldverdienens kam, liess zuerst immer Gregor die T"ure los und warf sich auf das neben der T"ur befindliche k"uhle Ledersopha, denn ihm war ganz heiss vor Besch"amung und Trauer.
Oft lag er dort die ganzen langen N"achte "uber, schlief keinen Augenblick und scharrte nur stundenlang auf dem Leder. Oder er scheute nicht die grosse M"uhe, einen Sessel zum Fenster zu schieben, dann die Fensterbr"ustung hinaufzukriechen und, in den Sessel gestemmt, sich ans Fenster zu lehnen, offenbar nur in irgendeiner Erinnerung an das Befreiende, das fr"uher f"ur ihn darin gelegen war, aus dem Fenster zu schauen. Denn tats"achlich sah er von Tag zu Tag die auch nur ein wenig entfernten Dinge immer undeutlicher; das gegen"uberliegende Krankenhaus, dessen nur allzu h"aufigen Anblick er fr"uher verflucht hatte, bekam er "uberhaupt nicht mehr zu Gesicht, und wenn er nicht genau gewusst h"atte, dass er in der stillen, aber v"ollig st"adtischen Charlottenstrasse wohnte, h"atte er glauben k"onnen, von seinem Fenster aus in eine Ein"ode zu schauen, in welcher der graue Himmel und die graue Erde ununterscheidbar sich vereinigten. Nur zweimal hatte die aufmerksame Schwester sehen m"ussen, dass der Sessel beim Fenster stand, als sie schon jedesmal, nachdem sie das Zimmer aufger"aumt hatte, den Sessel wieder genau zum Fenster hinschob, ja sogar von nun ab den inneren Fensterfl"ugel offen liess.
H"atte Gregor nur mit der Schwester sprechen und ihr f"ur alles danken k"onnen, was sie f"ur ihn machen musste, er h"atte ihre Dienste leichter ertragen; so aber litt er darunter. Die Schwester suchte freilich die Peinlichkeit des Ganzen m"oglichst zu verwischen, und je l"angere Zeit verging, desto besser gelang es ihr nat"urlich auch, aber auch Gregor durchschaute mit der Zeit alles viel genauer. Schon ihr Eintritt war f"ur ihn schrecklich. Kaum war sie eingetreten, lief sie, ohne sich Zeit zu nehmen, die T"ure zu schliessen, so sehr sie sonst darauf achtete, jedem den Anblick von Gregors Zimmer zu ersparen, geradewegs zum Fenster und riss es, als ersticke sie fast, mit hastigen H"anden auf, blieb auch, selbst wenn es noch so kalt war, ein Weilchen beim Fenster und atmete tief. Mit diesem Laufen und L"armen erschreckte sie Gregor t"aglich zweimal; die ganze Zeit "uber zitterte er unter dem Kanapee und wusste doch sehr gut, dass sie ihn gewiss gerne damit verschont h"atte, wenn es ihr nur m"oglich gewesen w"are, sich in einem Zimmer, in dem sich Gregor befand, bei geschlossenem Fenster aufzuhalten.
Einmal, es war wohl schon ein Monat seit Gregors Verwandlung vergangen, und es war doch schon f"ur die Schwester kein besonderer Grund mehr, "uber Gregors Aussehen in Erstaunen zu geraten, kam sie ein wenig fr"uher als sonst und traf Gregor noch an, wie er, unbeweglich und so recht zum Erschrecken aufgestellt, aus dem Fenster schaute. Es w"are f"ur Gregor nicht unerwartet gewesen, wenn sie nicht eingetreten w"are, da er sie durch seine Stellung verhinderte, sofort das Fenster zu "offnen, aber sie trat nicht nur nicht ein, sie fuhr sogar zur"uck und schloss die T"ur; ein Fremder h"atte geradezu denken k"onnen, Gregor habe ihr aufgelauert und habe sie beissen wollen. Gregor versteckte sich nat"urlich sofort unter dem Kanapee, aber er musste bis zum Mittag warten, ehe die Schwester wiederkam, und sie schien viel unruhiger als sonst. Er erkannte daraus, dass ihr sein Anblick noch immer unertr"aglich war und ihr auch weiterhin unertr"aglich bleiben m"usse, und dass sie sich wohl sehr "uberwinden musste, vor dem Anblick auch nur der kleinen Partie seines K"orpers nicht davonzulaufen, mit der er unter dem Kanapee hervorragte. Um ihr auch diesen Anblick zu ersparen, trug er eines Tages auf seinem R"ucken – er brauchte zu dieser Arbeit vier Stunden – das Leintuch auf das Kanapee und ordnete es in einer solchen Weise an, dass er nun g"anzlich verdeckt war, und dass die Schwester, selbst wenn sie sich b"uckte, ihn nicht sehen konnte. W"are dieses Leintuch ihrer Meinung nach nicht n"otig gewesen, dann h"atte sie es ja entfernen k"onnen, denn dass es nicht zum Vergn"ugen Gregors geh"oren konnte, sich so ganz und gar abzusperren, war doch klar genug, aber sie liess das Leintuch, so wie es war, und Gregor glaubte sogar einen dankbaren Blick erhascht zu haben, als er einmal mit dem Kopf vorsichtig das Leintuch ein wenig l"uftete, um nachzusehen, wie die Schwester die neue Einrichtung aufnahm.
In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht "uber sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er h"orte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester v"ollig anerkannten, w"ahrend sie sich bisher h"aufig "uber die Schwester ge"argert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses M"adchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, w"ahrend die Schwester dort aufr"aumte, und kaum war sie herausgekommen, musste sie ganz genau erz"ahlen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter "ubrigens wollte verh"altnism"assig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgr"unden zur"uck, denen Gregor sehr aufmerksam zuh"orte, und die er vollst"andig billigte. Sp"ater aber musste man sie mit Gewalt zur"uckhalten, und wenn sie dann rief: "Lasst mich doch zu Gregor, er ist ja mein ungl"ucklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, dass ich zu ihm muss?", dann dachte Gregor, dass es vielleicht doch gut w"are, wenn die Mutter hereink"ame, nicht jeden Tag nat"urlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe "ubernommen hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erf"ullung. W"ahrend des Tages wollte Gregor schon aus R"ucksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fussbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon w"ahrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergn"ugen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer "uber W"ande und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fussboden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den K"orper; und in der fast gl"ucklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, dass er zu seiner eigenen "Uberraschung sich losliess und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er nat"urlich seinen K"orper ganz anders in der Gewalt als fr"uher und besch"adigte sich selbst bei einem so grossen Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor f"ur sich gefunden hatte – er hinterliess ja auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes –, und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in gr"osstem Ausmasse zu erm"oglichen und die M"obel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstm"adchen h"atte ihr ganz gewiss nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnj"ahrige M"adchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der fr"uheren K"ochin aus, hatte aber um die Verg"unstigung gebeten, die K"uche unaufh"orlich versperrt halten zu d"urfen und nur auf besonderen Anruf "offnen zu m"ussen; so blieb der Schwester also nichts "ubrig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der T"ur vor Gregors Zimmer. Zuerst sah nat"urlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann erst liess sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in gr"osster Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zuf"allig "uber das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterliess auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh, dass sie nun doch gekommen war. "Komm nur, man sieht ihn nicht", sagte die Schwester, und offenbar f"uhrte sie die Mutter an der Hand. Gregor h"orte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze r"uckten, und wie die Schwester immerfort den gr"ossten Teil der Arbeit f"ur sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen der Mutter zu h"oren, welche f"urchtete, dass sie sich "uberanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertelst"undiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie w"urden vor Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar nicht sicher, dass Gregor mit der Entfernung der M"obel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedr"ucke der Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmerm"obel l"angst gew"ohnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen f"uhlen werde. "Und ist es dann nicht so", schloss die Mutter ganz leise, wie sie "uberhaupt fast fl"usterte, als wolle sie vermeiden, dass Gregor, dessen genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme h"ore, denn dass er die Worte nicht verstand, davon war sie "uberzeugt, "und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der M"obel zeigten, dass wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn r"ucksichtslos sich selbst "uberlassen? Ich glaube, es w"are das beste, wir suchen das Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es fr"uher war, damit Gregor, wenn er wieder zu uns zur"uckkommt, alles unver"andert findet und umso leichter die Zwischenzeit vergessen kann. "
Beim Anh"oren dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, dass der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem einf"ormigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren m"ussen, denn anders konnte er es sich nicht erkl"aren, dass er ernsthaft darnach hatte verlangen k"onnen, dass sein Zimmer ausgeleert w"urde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit ererbten M"obeln gem"utlich ausgestattete Zimmer in eine H"ohle verwandeln zu lassen, in der er dann freilich nach allen Richtungen ungest"ort w"urde kriechen k"onnen, jedoch auch unter gleichzeitigem, schnellen, g"anzlichen Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht geh"orte Stimme der Mutter hatte ihn aufger"uttelt. Nichts sollte entfernt werden; alles musste bleiben; die guten Einwirkungen der M"obel auf seinen Zustand konnte er nicht entbehren; und wenn die M"obel ihn hinderten, das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein grosser Vorteil.