Heute oder nie!
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Der Doktor ist v"ollig verst"ort und weiss nicht, was er tun soll. Er nimmt das Fl"aschchen, sieht, dass die Tropfen aus sind, und geht hinter einen Wandschirm, wo er Medikamente aufbewahrt. Johanna ruft ihm zu.
JOHANNA: Und dass die Krankengeschichte in einer Stunde fertig ist! In genau sechzig Minuten komme ich sie holen!
Geht in Richtung Ausgang, und trifft in der T"ure mit einem neuen Besucher zusammen. Das ist ein "ausserst solider Mann, in einem klassischen, gut geschnittenen Anzug. Beide werfen sich einen aufmerksamen Blick zu. Johanna geht. Der Mann tritt ein. Er besieht sich vorsichtig den Raum und bemerkt nicht gleich den Doktor, der hinter dem Wandschirm hervorkommt. Als er ihn sieht, zuckt der Mann zusammen.
DOKTOR: (Hat sich wieder gefasst.) Mit was kann ich dienen?
MANN: Ich… Ich… Ich…
DOKTOR: Wer sind Sie?
MANN: Ich… Ich… Ich…
DOKTOR: Ja, Sie, Sie, Sie! Nicht ich, Teufel auch!
MANN: Ich… Ich denke nicht, dass mein Name f"ur Sie irgendeine Bedeutung hat.
DOKTOR: Warum nennen Sie ihn dann nicht?
MANN: Wirklich, warum?
DOKTOR: Genau das sage ich auch: Warum?
MANN: Also, schauen Sie, wir sagen beide „warum“?
DOKTOR: Und warum nennen Sie ihn denn dann nicht?
MANN: Weil darin kein Bedarf besteht.
DOKTOR: H"oren Sie auf, auszuweichen und sagen Sie es direkt: An was leiden Sie?
MANN: Kann ich mit Ihnen von Mann zu Mann reden?
DOKTOR: Selbst wenn wir es noch so wollten, wir k"onnen nicht von Frau zu Frau reden.
MANN: Sie haben Recht.
DOKTOR: Nun, packen Sie schon aus, zieren Sie sich nicht, was haben Sie?
MANN: Ich weiss nicht, wie ich anfangen soll…
DOKTOR: Nur Mut, da gibt's doch nichts zu sch"amen. Mit solchen Problemen, wie Sie, hat fast jeder Mann zu tun.
MANN: Woher kennen Sie meine Probleme?
DOKTOR: Ich kann sie mir denken.
MANN: Sie k"onnen sie nicht kennen. Sache ist die, dass… Wie soll ich sagen…
DOKTOR: Nun aber, werden Sie nicht rot. Sie sind beim Arzt. Und hier werden Geheimnisse geh"utet.
MANN: (Schwankt.) Nun, gut. Ehrlich gesagt, ich hatte zuerst geplant, mich krank zu stellen. Aber jetzt denke ich, warum nicht alles so sagen, wie es ist?
DOKTOR: Sie sind also nicht krank?
MANN: Nein.
DOKTOR: Was machen Sie denn dann hier?
MANN: Ich suche eine Frau.
DOKTOR: Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Ich bin keine Frau.
MANN: Mir ist nicht nach Sp"assen zumute. Die Sache ist sehr ernst.
DOKTOR: Wer ist sie f"ur Sie? Ehefrau, nicht wahr?
MANN: (Nach einigem Schwanken.) Ja.
DOKTOR: Und was habe ich damit zu tun?
MANN: Ich weiss, dass sie gerade erst hier war.
DOKTOR: Ich ver"offentliche keine Informationen "uber meine Patienten.
MANN: Diesmal m"ussen Sie eine Ausnahme machen.
DOKTOR: Interessant. Und warum?
MANN: Weil ich sie bis zum Ged"achtnisverlust liebe.
DOKTOR: Ihre Frau?!
MANN: Ja. Na und?
DOKTOR: Nichts. Sehr r"uhrend.
MANN: Also, wo ist sie?
DOKTOR: Ihre Frau war nicht hier.
MANN: Sie war, und ich weiss das genau.
DOKTOR: Wie ist ihr Familienname?
MANN: Gl"ockner.
DOKTOR: (Betroffen.) Gl"ockner? Sind Sie sicher?
MANN: Sicher.
DOKTOR: Nicht Klingler?
MANN: Nein.
DOKTOR: Nicht Scheller? Und nicht L"auter?
MANN: Aber nicht doch!
DOKTOR: So-so… (Geht aufgeregt im Zimmer hin und her.) Das heisst, Ihre Frau heisst… Wie nochmal?
MANN: Gl"ockner.
DOKTOR: Grossartig. Als Sie hereinkamen, scheint mir, haben Sie jemanden getroffen. Erinnern Sie sich?
MANN: Meinen Sie jene Frau, in dem taillierten englischen Kost"um, mit dunklen Augen, einem Muttermal auf der linken Wange, mit einem lilafarbenen Chiffonschal um den Hals und einem schwarzen Koffer in der Hand?
DOKTOR: Genau die. Was sagen Sie zu ihr?
MANN: Nichts. Ich hab ihr keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.
DOKTOR: So-so… Keine Aufmerksamkeit geschenkt. Keinerlei. (Platzt aus sich heraus.) Hauen Sie von hier ab, und zwar sofort! Und lassen Sie sich hier nie mehr blicken!
MANN: Doktor, ich verstehe Sie nicht. Warum…
DOKTOR: (Unterbricht ihn.) Weil Sie gerade eben mit der Nase auf Madame Gl"ockner gestossen sind. Angenommen, Sie haben ihr keine Aufmerksamkeit geschenkt. Aber sie ging ja auch v"ollig ruhig vorbei!
MANN: Aber ich habe keine Ahnung, wer sie ist. Ich habe sie nie vorher gesehen!
DOKTOR: Das heisst, sie – ist nicht Ihre Frau?
MANN: Nat"urlich nicht! Ausserdem bin ich seit langem geschieden. Schon zwei Jahre.
DOKTOR: Wie „geschieden“? Sie lieben doch Ihre Frau bis zum Ged"achtnisverlust!
MANN: Ja-ja, nat"urlich… Danach habe ich wieder geheiratet.
DOKTOR: Sie haben wieder geheiratet? Sehr gut. Und Ihre Frau heisst, wie sagen Sie…
MANN: Gl"ockner, Marina Gl"ockner.
DOKTOR: Wie sagten Sie? Marina?
MANN: Ja, Marina.
DOKTOR: Aber sie ist doch verheiratet! Mit Anton!
MANN: (Betroffen.) Mit welchem Anton?
DOKTOR: Mit ihrem Mann.
MANN: Das kann nicht sein! Sie ist nicht verheiratet! Ich will sagen, sie ist mit mir verheiratet.
DOKTOR: (Nachdenklich.) Nun denn, vielleicht erkl"art das einiges… Also, was wollen Sie nun von mir?
MANN: Ich weiss, sie war hier. Vielleicht kommt sie nochmal her. Helfen Sie mir, sie zu treffen.
DOKTOR: Ich befasse mich nicht mit der Suche fremder Ehefrauen. Und ich bin mir nicht sicher, dass Marina Ihre Frau ist. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie Marina heisst. Und ich bin mir nicht sicher, dass sie hierher kommt. Und noch weniger sicher bin ich mir, dass sie "uberhaupt existiert.