Heute oder nie!
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DOKTOR: Nein, das k"onnen Sie nicht.
MARINA: (Nimmt ihn sanft an der Hand.) Erz"ahlen Sie trotzdem. Ihnen wird wenigstens leichter.
DOKTOR: (Wischt sich die Stirn ab.) Verzeihen Sie, aber wer sind Sie – Marina oder Johanna?
MARINA: Ich bin Marina.
DOKTOR: Ja, richtig. Wissen Sie, mit mir geht etwas unverst"andliches vor sich. Im Kopf verwirrt sich alles, ich begreife nichts. Von mir wird eine Krankengschichte gefordert, und ich, da k"onnen Sie mich umbringen, erinnere mich nicht, dass ich sie geschrieben habe. Und wenn ich sie nicht geschrieben habe oder aus Versehen gel"oscht, dann kann ich grosse Schwierigkeiten bekommen.
MARINA: Dann schreiben Sie doch eine neue, worin besteht das Problem? Ist es das denn wert, den Kopf h"angen zu lassen?
DOKTOR: Eine fiktive Krankengschichte mit unechtem Datum zu verfassen, ist ungesetzlich. Damit stolpere ich in noch gr"ossere Unannehmlichkeiten.
MARINA: Ach, wer erf"ahrt denn davon?
DOKTOR: Wenn es eine Pr"ufung gibt, kann man das ganz leicht aufdecken. Der PC fixiert doch automatisch das Erstellungsdatum einer Datei. "Ubrigens, Sie werden wohl kaum etwas davon verstehen.
MARINA: Und darin besteht das ganze Problem?
DOKTOR: Im technischen Sinn, ja. "Uber Gewissensbisse und Berufsehre red' ich schon gar nicht. Die interessieren in unserer Zeit niemanden.
MARINA: Mir scheint, ich kann Ihnen helfen.
DOKTOR: Wie?
MARINA: Habe ich Ihnen denn nicht gesagt, dass ich von Beruf Programmiererin bin?
DOKTOR: Sie?!
MARINA: Und Ihr technisches Problem ist aus Sicht eines Programmierers nur ein Nichts. Setzen Sie sich neben mich.
Beide setzen sich an den PC. Marinas Finger fliegen schnell "uber die Tastatur.
Hier, schauen Sie… Wir "offnen eine Datei mit der Krankengeschichte Antons… Der PC zeigt an, dass sie heute geschaffen wurde. Richtig?
DOKTOR: Richtig.
MARINA: Jetzt eine kleine Korrektur… Schauen Sie jetzt – wann wurde die Datei geschaffen?
DOKTOR: (Schaut auf den Bildschirm.) Vor zweieinhalb Jahren. Einfach unglaublich! Wie haben Sie das geschafft?
MARINA: (Zitiert mit Ironie den Doktor.) Wissen und Arbeit.
DOKTOR: Ich weiss nicht, wie ich Ihnen danken soll!
MARINA: Danken brauchen Sie nicht. (Schwankend.) Und jetzt will ich Ihnen etwas sehr wichtiges sagen… (Verstummt.)
DOKTOR: Nun, was schweigen Sie denn?
MARINA: Es ist schwer, mich zu "uberwinden. Aber ich werd's doch sagen.
Der Mann tritt ein. Marina verstummt. Sie ist sehr verwirrt.
MANN: (An Marina.) Jetzt verstecken Sie sich nicht vor mir. (An den Doktor. Sein Ton ist hart,) Lassen Sie uns bitte alleine.
Der Doktor blickt fragend auf Marina. Sie nickt ihm zu. Der Doktor geht hinaus. Pause.
MARINA: Nun, reden Sie.
MANN: Sie wissen hervorragend, um was es geht.
MARINA: Nicht ganz.
MANN: Dann f"uhre ich die Sache so klar und kurz aus, wie m"oglich, zudem wenig Zeit "ubrig bleibt. Sie haben aus der Bank die Ihnen bekannte Summe entwendet. Das Geld ist zwar nicht auf Ihr Konto "uberwiesen, aber Sie wissen bestens, was darauf steht.
MARINA: Gef"angnis.
MANN: V"ollig richtig. Sie galten als gebildete Mitarbeiterin. Ehrlich gesagt, ich bewundere auch jetzt noch Ihre Kunstfertigkeit, mit der Sie diese Operation durchgef"uhrt haben. Zwei Jahre hat die Bank nicht bemerkt, wie eine einzige Zeile im Computerprogramm zu dem Geldverlust gef"uhrt hat.
MARINA: Man muss noch beweisen, dass ich diese Zeile einf"ugt habe.
MANN: Experten werden das beweisen.
MARINA: Unklar, wer erfahrener ist – ich oder Ihre Experten. Was wollen Sie von mir?
MANN: Geben Sie das Geld zur"uck, und die Bank wird Sie nicht vor Gericht bringen.
MARINA: Woher diese Milde? Daher, dass Sie mir gegen"uber nicht ganz gleichg"ultig sind?
MANN: Sie wissen, dass ich Ihnen gegen"uber wirklich nicht ganz gleichg"ultig bin, aber in diesem Fall sind rein kommerzielle Gr"unde wichtiger. Die Bank braucht wirklich nicht, dass der "Offentlichkeit bekannt wird, dass unsere Mitarbeiter das Geld der Anleger stehlen. Dann verlieren wir tausende Kunden und hunderttausende Euro. Deshalb sind wir interessiert, diese Sache zu vertuschen.
MARINA: Wann muss man das Geld zur"uckgeben?
MANN: Heute. Andernfalls werden Sie morgen verhaftet.
MARINA: Heute kann ich nicht. Und morgen, "ubrigens, auch nicht. Und "ubermorgen.
MANN: Warum?
MARINA: Was macht den Unterschied?
MANN: Gut. Ich hab' gesagt, was ich sagen sollte. Denken Sie nach. Ich wiederhole: Zeit haben Sie wenig. (Steht auf, geht zum Ausgang, bleibt stehen. Sein Ton ver"andert sich.) Marina, Sie wissen doch, wie ich zu Ihnen stehe.
MARINA: Ich weiss.
MANN: Weshalb haben Sie das gemacht?
MARINA: Weil… Weil ich es getan habe.
MANN: Und wo ist denn trotzdem das Geld?
MARINA: Ich habe es nicht f"ur mich genommen.
MANN: Das habe ich vermutet. Dann soll eben jener Mensch sitzen! Letztendlich hat n"amlich er sich das Geld von dem Konto angeeignet, und Sie sind formell fast nicht schuldig. Jene Zeile im Programm kann man als technischen Fehler erkl"aren. Was sagen Sie dazu?
MARINA: (Nach einigem Schweigen.) Lassen Sie mich etwas nachdenken. Warten Sie unten im Caf'e, ich werde Sie rufen. Und solange habe ich eine Bitte an Sie. In diesem Caf'e sitzt eine Frau namens Johanna. Bitten Sie sie, heraufzukommen.
MANN: Gut.
Der Mann geht. Der Doktor tritt ein.
DOKTOR: Wer ist dieser Mann?
MARINA: Der Vizepr"asident der Bank.
DOKTOR: Was wollte er von Ihnen?
MARINA: Unwichtig. Doktor, ich will Ihnen etwas gestehen.
DOKTOR: (Versucht zu scherzen.) Ich hoffe, Ihre Liebe?
MARINA: Nein, einfach ein Gest"andnis. Obwohl, ich verberge nicht, dass Sie mir sehr sympathisch sind. Deshalb muss ich Ihnen auch etwas gestehen. (Verstummt.)