Heute oder nie!
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DOKTOR: Geben Sie zu, dass Sie es satt haben, sich um den Mann zu k"ummern, und Sie beschlossen haben, ihn loszuwerden.
JOHANNA: Erstens ist das meine Privatangelegenheit. Und zweitens, wenn es so w"are, was dann? Er hat vielleicht das Recht, seine wichtigste Verpflichtung zu vergessen, aber ich bin nicht verpflichtet, mein wichtigstes Recht zu vergessen. (Ver"achtlich.) Verstehen Sie das wenigstens, Doktor?
DOKTOR: „Verpflichtung“, „Recht“… Gleich zu sehen, dass Sie Jurist sind.
JOHANNA: Und das, dass ich Frau bin, ist nicht gleich zu sehen?
DOKTOR: Nicht gleich. Sie gleichen mehr der „Freiheitsstatue“.
JOHANNA: Von einem Arzt habe ich mehr Verst"andnis erwartet.
DOKTOR: Was wollen Sie von mir?
JOHANNA: Bescheinigung und Krankengeschichte.
DOKTOR: Nun, gut, kommen Sie morgen, ich bereite alles vor.
JOHANNA: Bis morgen denken Sie wieder irgendeine Ausrede aus. Ich brauche es heute. Jetzt.
DOKTOR: Jetzt beginnt bei mir die Sprechstunde im Krankenhaus. Ich muss gehen.
JOHANNA: F"ur lange?
DOKTOR: Etwa zwanzig Minuten.
JOHANNA: Ich werde warten.
DOKTOR: Heute schaffe ich es sowieso nicht. Eine Krankengeschichte wird nicht so schnell gefertigt, wie Sie glauben. Ich bitte Sie, kommen Sie morgen.
JOHANNA: Nein, ich gehe hier nicht weg, bevor ich die Bescheinigung nicht bekomme. (Setzt sich demonstrativ, nimmt ein medizinisches Journal und vertieft sich in dessen Lekt"ure, damit zeigend, dass sie vorhat, lange zu bleiben, und es nicht gelingen wird, sie loszuwerden.)
DOKTOR: (Hoffnungslos.) Aber ich muss wirklich in die Klinik hinunter.
JOHANNA: Gehen Sie, ich halte Sie nicht auf.
DOKTOR: Und Sie?
JOHANNA: Ich gehe und gebe Anton ein Butterbrot, dann bringe ich ihn hierher, und wir werden zusammen hier sitzen, bis wir unsere Krankengeschichte bekommen.
DOKTOR: Nun, denn… Wie es Ihnen beliebt.
Der Doktor giesst sich Cognac ein, dann, "uberlegt er es sich und nimmt das Fl"aschchen mit den Tropfen, dann wendet er sich wieder dem Cognac zu, und findet einen Kompromiss: Er giesst einige Tropfen in den Cognac, trinkt aus und geht, sich abwechselnd an Kopf und Herz fassend. Johanna begleitet ihn mit zufriedenem Blick, dann geht auch sie hinaus. Nach einiger Zeit kommen Marina und fast gleichzeitig der Mann herein.
MANN: Endlich habe ich Sie gefunden.
MARINA: Aufgesp"urt.
MANN: Ja, aufgesp"urt. Warum haben Sie vor mir verheimlicht, dass Sie verheiratet sind?
MARINA: Ich habe nichts verheimlicht.
MANN: Aber auch nie etwas davon erw"ahnt.
MARINA: Meinen Sie, eine Frau sollte ununterbrochen in Zeitungen, im Radio und Fernsehen verk"unden, dass sie verheiratet ist? Oder umgekehrt, dass sie nicht verheiratet ist?
MANN: Nicht verk"unden, aber auch nicht verheimlichen.
MARINA: Ich verheimliche nichts.
MANN: Wirklich? (Und da Marina nicht antwortet, f"ahrt er fort.) Sie sind eine gef"ahrliche Frau.
MARINA: Danke f"ur das Kompliment.
MANN: Warum sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit?
MARINA: Sind Sie hierhergekommen, um private Verh"altnisse zu kl"aren?
MANN: Nein. Unser Thema wird viel ernster…
Johanna und Anton treten ein.
MARINA: Nun, weiter, warum h"oren Sie denn auf?
MANN: Das ist kein Gespr"ach f"ur Aussenstehende.
MARINA: Gut, setzen wir es in ein paar Minuten fort.
MANN: Ein paar Minuten – einverstanden, aber nicht mehr. (Geht hinaus.)
JOHANNA: Wer war das?
MARINA: Unwichtig. Wo ist der Doktor?
JOHANNA: Er ist in die Klinik gegangen.
MARINA: Und, wie ist er?
JOHANNA: (Zufrieden.) Genau so, wie er sein soll.
MARINA: Ganz?
JOHANNA: Es scheint so.
MARINA: Ist er in die Klinik gegangen, um zu behandeln, oder sich behandeln zu lassen?
JOHANNA: Um zu behandeln.
MARINA: Ich an seiner Stelle, w"urde mich behandeln lassen.
JOHANNA: Ich sehe, er tut dir Leid.
MARINA: Und dir nicht?
JOHANNA: Mir tun wir alle Leid.
MARINA: Er ist ein sehr guter Mensch.
JOHANNA: Wir sind auch keine schlechten Leute.
MARINA: Bist du sicher?
JOHANNA: Du brauchst mich nicht mit Fragen zu l"ochern. Ich schlaf' auch so n"achtelang nicht.
MARINA: (Anteilnehmend.) Du siehst nicht besonders aus.
JOHANNA: Du auch.
MARINA: Glaubst du, mir f"allt es leicht?
JOHANNA: Und du glaubst, mir ist lustig dabei zumute?
ANTON: Um die Wahrheit zu sagen, auch f"ur mich ist es kein Zuckerlecken.
JOHANNA: (Beissend.) F"ur ihn ist es „kein Zuckerlecken“! Und wegen wem, glaubst du, befinden wir beide uns hier?
ANTON: (Schuldbewusst.) Wegen mir.
JOHANNA: Gut, dass wenigstens du das begreifst. (Pause.)
ANTON: Eigentlich werde ich hier nicht mehr gebraucht. Kann ich gehen?
MARINA: Keinesfalls! Dich darf man nirgendwo allein hinlassen.
JOHANNA: Du weisst, dass wir dir das verbieten.
ANTON: Ich bin kein Kind.
MARINA: H"or auf! Wir haben auch so die ganze Zeit Angst, dass du wieder irgendetwas anstellst.
ANTON: Ich habe mich doch zu eurem Wohl bem"uht.
JOHANNA: Danke, du hast uns schon viel Wohl bereitet.
ANTON: Ich will von hier weg.
JOHANNA: Wir wollen alle weggehen.
ANTON: Ich bin m"ude.
MARINA: Wir sind alle m"ude.
ANTON: Das ist alles erm"udend und unangenehm. Ich geh'.
JOHANNA: (H"alt ihn fest.) Sitz!
MARINA: H"or auf, nerv"os zu sein, Lieber. Soll ich dir einen Kaffee machen?
JOHANNA: Lass das, du hast ihn auch so verw"ohnt.
MARINA: Was soll ich tun? Ich liebe ihn.
JOHANNA: Ich liebe ihn auch. Aber man darf mit ihm doch nicht die ganze Zeit zu nachsichtig sein. Und woher nimmst du hier Kaffee?