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Bitterschokolade (Горький шоколад)
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»Mama, bitte, verschon mich.«

»Ich meine es doch nur gut mit dir. Fьnfzehn Jahre alt und sitzt zu Hause rum wie ein TrauerkloЯ.«

Eva stцhnte laut.

»Gut, gut. Ich weiЯ ja, dass du dir von mir nichts sa­gen lдsst. Mцchtest du vielleicht einmal ins Kino ge­hen? Soll ich dir Geld geben?« Die Mutter цffnete das

Portemonnaie und legte zwei Fьnfmarkstьcke auf den Tisch. »Das brauchst du mir nicht zurьckzugeben.«

»Danke, Mama.«

»Ich gehe jetzt. Vor sechs komme ich nicht zurьck.«

Eva nickte, aber die Mutter sah es schon nicht mehr, die Wohnungstьr war hinter ihr zugefallen.

Eva atmete auf. Die Mutter und ihre Schmidhuber! Eva konnte die Schmidhuber nicht ausstehen. >Tante Renate<! Eva vermied die direkte Anrede. Sie wunderte sich immer wieder, wie leicht Berthold das >Tante Re-nate< sagte und sich

ьber den Kopf streicheln lieЯ. »Sie mag Kinder so gern. Es ist ihr grцЯter Kummer, dass sie selbst keine bekommen kann«, hatte die Mutter ge­sagt. Von dem Kummer merkt man aber nicht viel, hatte Eva gedacht.

»Na, Eva, was macht die Schule? Hast du schon ei­nen Freund?« Hihi-Gekicher in dem runden Gesicht, volle, rot gemalte Lippen ьber weiЯen Zдhnen und runde Arme, die sich um Eva legen wollten. Und ein tiefer Ausschnitt, der den Schatten zwischen den hoch­geschnьrten Brьsten sehen lieЯ. »Man kann ruhig zei­gen, was man hat, nicht wahr, Marianne?« Und Evas Mutter hatte beifдllig genickt. Sie nickte immer beifдl­lig, wenn die Schmidhuber etwas sagte. Eva fand, dass die Hдlfte der Menschheit mit einem Busen herumlief und dass es keinen Grund gab, sich darauf was einzu­bilden und ihn besonders zur Schau zu stellen.

Eva ging in ihr Zimmer. Sie legte eine Kassette von Leonard Cohen ein und drehte den Lautsprecher auf volle Stдrke. Das konnte sie nur machen, wenn ihre Mutter nicht da war. Sie legte sich auf ihr Bett. Die tie­fe, heisere Stimme erfьllte mit ihren trдgen Liedern das Zimmer und vibrierte auf Evas Haut.

Sie цffnete die Nachttischschublade. Es stimmte, da war wirklich noch eine Tafel Schokolade. Sie lieЯ sich wieder auf das Bett fallen und wickelte mit behutsa­men Bewegungen die Schokolade aus dem Silberpapier. Es war ein Glьck, dass ihr Zimmer nach Osten lag. Die Schokolade war weich, aber nicht geschmolzen. Sie brach einen Riegel ab, teilte ihn noch einmal und schob sich die beiden Stьckchen m den Mund. Zartbit­ter! Zart-zдrtlich, bitter-bitterlich. Zдrtlich streicheln, bitterlich weinen. Eva steckte schnell noch ein Stьck in den Mund und streckte sich aus. Die Arme unter dem Nacken verschrдnkt, das rechte Knie angezogen und den linken Unterschenkel quer darьber gelegt, lag sie da und betrachtete ihren nackten linken FuЯ. Wie zier­lich er doch war im Vergleich zu ihren unfцrmigen Waden und Oberschenkeln. Sie lieЯ den FuЯ leicht auf- und abwippen und bewunderte die Form der Ze­hennдgel. Halbmondfцrmig, dachte sie.

Ihre Mutter hatte dicke Ballen an den FьЯen, breite PlattfьЯe hatte sie, richtig hдssliche FьЯe, mit nach der Mitte eingebogenen Zehen. Eva ekelte sich vor den Fь­Яen ihrer Mutter, vor allem im Sommer, wenn die Mutter Riemensandalen trug und die rцtlich verfдrbten

Beulen seitlich zwischen den schmalen Lederriemchen herausquollen.

Eva griff wieder nach der Schokolade. Leonard Co­hen sang: »She was takmg her body so brave und so free, if I am to remember, it's a fine memory.« Auto­matisch ьbersetzte sie in Gedanken: Sie trug ihren Kцrper so tapfer und frei, wenn ich mich erinnern soll: Es ist eine schцne Erinnerung.

Der Geschmack der Schokolade wurde bitter in ih­rem Mund. Nicht zartbitter, sondern unangenehm bit­ter. Herb. Brennend. Schnell schluckte sie sie hinuner. Ich dьrfte keine Schokolade essen. Ich bin sowieso viel zu fett. Sie nahm sich vor, zum Abendessen nichts zu essen, auЯer vielleicht einem kleinen Joghurt. Aber der bittere Geschmack in ihrem Mund blieb.

»She was ta-king her body so brave and so free!« Sie, die Frau, von der Leonard Cohen sang, hatte sicher einen schцnen Kцrper, so wie Babsi, einen mit kleinen Brьsten und schmalen Schenkeln. Aber wieso nannte er sie dann tapfer? Als ob es tapfer wдre, sich zu zeigen, wenn man schцn war!

»Du bist wirklich zu dick«, hatte die Mutter neulich wieder gesagt. »Wenn du so weitermachst, passt du bald nicht mehr in normale GrцЯen.«

Der Vater hatte gegrinst. »Lass nur«, hatte er gesagt, »es gibt Mдnner, die haben ganz gern was in der Hand.« Dazu hatte er eine anzьgliche Handbewegung gemacht.

Eva war rot geworden und aufgestanden.

»Aber Fritz«, hatte die Mutter gesagt, »mach doch nicht immer solche Bemerkungen vor dem Kind.«

Das »Kind« hatte wьtend die Tьr hinter sich zuge­knallt.

Die Mutter war ihr in das Zimmer nachgekommen. »Sei doch nicht immer so empfindlich, Eva. Der Vater meint das doch nicht so.«

Aber Eva hatte ihr nicht geantwortet. Sie hatte wort­los und demonstrativ ihre Schulsachen auf dem Schreibtisch ausgebreitet. Die Mutter hatte noch eine Weile unschlьssig an der Tьr herumgestanden und war dann gegangen.

Mдnner haben ganz gern was in der Hand, dachte Eva bцse. Als ob ich dazu da wдre, damit irgendein Mann was in der Hand hat.

Sie machte den Kassettenrecorder aus. Leonard Co-hens Stimme verstummte.

Eva war unruhig. Sie stand unschlьssig in ihrem Zimmer und blickte sich um. Lesen? Nein. Aufgaben machen? Nein. Klavier spielen? Nein. Was blieb ei­gentlich noch? Spazieren gehen. Bei der Hitze! Viel­leicht doch noch schwimmen? Das war bei diesem Wetter keine schlechte Idee. Trotzdem war sie noch unentschlossen. Einerseits war das Wasser schon ver­lockend, aber andrerseits genierte sie sich immer im Badeanzug. Einen Bikini trug sie nie.

Im Mai hatte sie sich einen Badeanzug gekauft, einen

ganz teuren. Vater hatte eine Gehaltserhцhung bekom­men. Vergnьgt hatte er seine Brieftasche herausgezo­gen, schweinsledern, naturfarben, ein Weihnachtsge­schenk von der Oma, und Eva einen Hunderter in die Hand gedrьckt. »Da, kauf dir was Schцnes.«

»Einen Badeanzug«, hatte die Mutter gesagt. »Du brauchtest einen Badeanzug.«

Eva stand am nдchsten Tag in der Kabine, ganz dicht vor dem Spiegel, und hдtte am liebsten vor Verzweif­lung geheult. She was taking her body so brave and so free. Eva hatte Angst gehabt, die Verkдuferin kцnnte den Vorhang zur Seite schieben und sie so sehen.

»Passt Ihnen der Anzug oder soll ich ihn eine Num­mer grцЯer bringen?«

Es war eine peinliche Erinnerung. Auch jetzt noch, in der Erinnerung, fьhlte Eva die Scham und ihre eige­ne Unbeholfenheit.

»ScheiЯe«, sagte sie laut in ihr Zimmer.

Sie packte ihr Badezeug und lieЯ die Tьr hinter sich ins Schloss fallen. TьrenschmeiЯen, das tat sie gern, das war eigentlich das Einzige, das sie tat, wenn sie sauer war. Was hдtte sie auch sonst tun sollen? Schrei­en? Wenn man schon wie ein Trampel aussah, sollte man nichts tun, um aufzufallen. Im Gegenteil.

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