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ЖАНРЫ

Bitterschokolade (Горький шоколад)
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und am Haaransatz an der Stirn krдuselten sie sich und waren ganz hell. Sie griff mit beiden Hдnden nach dem Pferdeschwanz und цffnete die Spange.

Jetzt sehe ich fast aus wie eine Madonna. So werde ich die Haare tragen, wenn ich erst einmal schlank bin, dachte sie.

Entschlossen band sie sich wieder den Pferde­schwanz und befestigte ihn mit der Spange. Dann machte sie sich an ihre Hausaufgaben. Aber es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Sie hцrte, wie die Wohnungstьr aufgeschlossen wur­de. Ihr Vater kam nach Hause. Sie schaute sich schnell in ihrem Zimmer um und zog die Bettdecke glatt. Ihr Vater mochte das, wenn alles schцn ordentlich aussah. Manchmal war er richtig pedantisch. AuЯerdem wusste sie nie, wie seine Laune war, wenn er nach Hause kam. Er konnte lange

ьber einen Pullover auf dem FuЯbo­den reden oder ьber eine Schultasche in der Flurecke, wenn er schlecht gelaunt war. Ihre Mutter lief meistens um fьnf noch mal durch die ganze Wohnung und schaute nach, ob nichts herumlag. »Muss ja nicht sein, dass es Krach gibt«, sagte sie. »Wenn man es vermei­den kann!«

Gerade als Eva ьberlegte, warum er ihr manchmal so auf die Nerven ging, warum gewisse Eigenheiten von ihm sie so stцrten, dass sie ihn manchmal nicht aushal-ten konnte, gerade in diesem Moment цffnete er ihre Zimmertьr.

»Guten Abend, Eva. Das ist aber schцn, dass du so fleiЯig bist.«

Der Vater war hinter sie getreten und tдtschelte ih­ren Kopf. Eva hatte sich tief ьber ihr Englischbuch ge­beugt und war froh, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht in diese Hand zu beiЯen.

4

Eva drьckte auf den Knopf der Nachttischlampe. Nun war es fast ganz dunkel. Nur ein schwaches Licht drang durch das geцffnete Fenster. Der Vorhang be­wegte sich und dankbar spьrte sie den leichten Luft­zug. Endlich war es ein bisschen kьhler geworden. Sie zog das Leintuch ьber sich, das ihr in heiЯen Nдchten als Zudecke diente, und kuschelte sich zurecht. Sie war zufrieden mit sich selbst, war richtig stolz auf sich, weil sie es geschafft hatte, das Gerede der Eltern beim Abendessen zu ьberhцren und wirklich nur diesen ei­nen Joghurt zu essen. Wenn sie das zwei oder drei Wo­chen durchhielte, wьrde sie sicher zehn Pfund abneh­men. Ich bin stark genug dazu, dachte sie. Bestimmt bin ich stark genug dazu. Das hab ich ja heute Abend bewiesen.

Glьcklich rollte sie sich auf die Seite und schob ihr Lieblingskissen unter den Kopf. Eigentlich brauche ich ьberhaupt nicht mehr so viel zu essen. Heute die Scho­kolade war absolut unnцtig. Und wenn ich dann erst einmal schlank bin, kann ich ruhig abends wieder et­was essen. Vielleicht Toast mit Butter und dazu ein paar Scheiben Lachs.

Das Wasser lief ihr im Mund zusammen, als sie an

diese rцtlich gemaserten, in Цl schwimmenden Schei­ben dachte. Sie liebte den pikanten, etwas scharfen Geschmack von Lachs sehr. Und dazu warmer Toast, auf dem die Butter schmolz! Eigentlich mochte sie scharfe Sachen sowieso lieber als dieses sьЯe Zeug. Man wurde auch nicht so dick davon. Gerдucherter Speck mit Zwiebeln und Sahnemeerrettich schmeckte ebenfalls ausgezeichnet. Oder eine gut gewьrzte Boh­nensuppe!

Nur ein einziges, kleines Stьck Lachs kцnnte nicht schaden, wenn sie morgen frьh sowieso anfing, richtig zu fasten. Aber nein, sie war stark! Sie dachte daran, wie oft sie sich schon vorgenommen hatte, nichts zu essen oder sich wenigstens zurьckzuhalten, und immer wieder war sie schwach geworden. Aber diesmal nicht! Diesmal war es ganz anders. Mit der grцЯten Ruhe wьrde sie zusehen, wie ihr Bruder das Essen in sich hineinstopfte, wie ihre Mutter die Suppe lцffelte und sie gleichzeitig laut lobte. Es wьrde ihr nichts ausma­chen, wenn ihr Vater in seiner pedantischen Art dicke Scheiben Schinken gleichmдЯig auf das Brot verteilte und es dann noch sorgfдltig mit kleinen, in der Mitte durchgeschnittenen Cornichons verzierte. Das alles wьrde ihr diesmal nichts ausmachen. Diesmal wьrde sie nicht mehr auf dem Heimweg nach der Schule vor dem Delikatessengeschдft stehen und sich die Nase an der Scheibe platt drьcken. Sie wьrde nicht mehr hi­neingehen und fьr vier Mark Heringssalat kaufen, um ihn dann hastig und verstohlen im Park mit den Fin­gern in den Mund zu stopfen. Diesmal nicht!

Und nach ein paar Wochen wьrden die anderen in der Schule sagen: Was fьr ein hьbsches Mдdchen die Eva ist, das ist uns frьher gar nicht so aufgefallen. Und Jungen wьrden sie vielleicht ansprechen, so wie andere Mдdchen, und sie einladen, mal mit ihnen in eine Dis­kothek zu gehen. Und Michel wьrde sich richtig in sie verlieben, weil sie so gut aussah. Bei diesem Gedanken wurde ihr warm. Sie hatte das Gefьhl zu schweben, leicht und schwerelos in ihrem Zimmer herumzuglei-ten. Frei und glьcklich war sie.

Eine kleine Scheibe Lachs wдre jetzt schцn. Eine ganz kleine Scheibe nur, lange hochgehalten, damit das

Цl richtig abgetropft war. Das kцnnte doch nicht scha­den, wenn sowieso jetzt alles gut wьrde, wenn sie so­wieso bald ganz schlank wдre.

Leise erhob sie sich und schlich in die Kьche. Erst als sie die Tьr hinter sich zugezogen hatte, drьckte sie auf den Lichtschalter. Dann цffnete sie den Kьhl­schrank und griff nach der Dose Lachs. Drei Scheiben waren noch da. Sie nahm eine zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie hoch. Zuerst rann das Цl in einem feinen Strahl daran herunter, dann tropfte es nur noch, immer langsamer. Noch ein Tropfen. Eva hielt die dьnne Scheibe gegen das Licht. Was fьr eine Farbe! Die Spucke sammelte sich in ihrem Mund und sie musste schlucken vor Aufregung. Nur dieses eine

Stьck, dachte sie. Dann цffnete sie den Mund und schob den Lachs hinein. Sie drьckte ihn mit der Zunge gegen den Gaumen, noch ganz langsam, fast zдrtlich, und fing an zu kauen, auch noch langsam, immer noch genьsslich. Dann schluckte sie ihn hinunter. Weg war er. Ihr Mund war sehr leer. Hastig schob sie die beiden noch verbliebenen Scheiben Lachs hinein. Diesmal wartete sie nicht, bis das Цl abgetropft war, sie nahm sich auch keine Zeit, dem Geschmack nachzuspьren, fast unzerkaut verschlang sie ihn.

In der durchsichtigen Plastikdose war nun nur noch Цl. Sie nahm zwei Scheiben WeiЯbrot und steckte sie in den Toaster. Aber es dauerte ihr zu lange, bis das Brot fertig war. Sie konnte es keine Sekunde lдnger mehr aushaken. Ungeduldig schob sie den Hebel an der Seite des Gerдtes hoch und die Brotscheiben spran­gen heraus. Sie waren noch fast weiЯ, aber sie rochen warm und gut. Schnell bestrich sie sie mit Butter und sah fasziniert zu, wie die Butter anfing zu schmelzen, erst am Rand, wo sie dьnner geschmiert war, dann auch in der Mitte. Im Kьhlschrank lag noch ein groЯes Stьck Gorgonzola, der Lieblingskдse ihres Vaters. Sie nahm sich nicht die Zeit, mit dem Messer ein Stьck abzuschneiden, sie biss einfach hinein, biss in das Brot, biss in den Kдse, biss, kaute, schluckte und biss wieder.

Was fьr ein wunderbarer, gut gefьllter Kьhlschrank. Ein hartes Ei, zwei Tomaten, einige Scheiben Schinken

und etwas Salami folgten Lachs, Toast und Kдse. Hin­gerissen kaute Eva, sie war nur Mund.

Dann wurde ihr schlecht. Sie merkte plцtzlich, dass sie in der Kьche stand, dass das Deckenlicht brannte und die Kьhlschranktьr offen war.

Eva weinte. Die Trдnen stiegen ihr in die Augen und liefen ьber ihre Backen, wдhrend sie mit langsamen Bewegungen die Kьhlschranktьr schloss, den Tisch ab­wischte, das Licht ausmachte und zurьck ging in ihr Bett.

Sie zog sich das Laken ьber den Kopf und erstickte ihr Schluchzen im Kopfkissen.

5

Am nдchsten Morgen wachte Eva mit brennenden Au­gen auf. Erst wollte sie zu Hause bleiben, im Bett lie­gen, krank sein, sie wollte nicht aufstehen und wieder in der Schule sitzen, leidend und verbittert, und sich an die letzte Nacht erinnern. Und an die vielen Nдchte davor.

Mьde zog sie das Laken ьber sich.

Die Mutter kam herein. »Aber Kind, es ist schon sie­ben. Steh doch endlich auf!« Und als Eva keine Anstal­ten machte, das Laken vom Kopf zu ziehen: »Fehlt dir was? Bist du krank?«

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