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Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра
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«Was ist Euch Meister«, fragte Johannes,»was bewegt Euch so?«

Liscov fuhr auf, wie aus einem Traum, und sprach lachelnd» Weisst Du noch Johannes! wie ich Dir die Fussbank wegzog unter den Beinen, und Du hinabschobst unter den Flugel, da Du mir des Oheims abscheuliche Murkis und Menuetten vorspielen musstest?«

«Ach«, erwiderte Johannes,»wie ich Euch zum ersten Male sah, daran mag ich gar nicht denken. Es machte Euch gerade Spass, ein Kind zu betruben.«

«Und das Kind«, nahm Liscov das Wort,»war dafur tuchtig grob. Doch nimmermehr hatt' ich damals geglaubt, dass in Euch ein solch tuchtiger Musiker verborgen, und darum, Sohnlein, tu mir den Gefallen und spiele mir einen ordentlichen Choral vor auf dem papiernen Positiv. Ich will den Balg treten«.

– Es ist hier nachzuholen, dass Liscov grossen Geschmack fand an allerlei wunderlichen Spielereien, und den Johannes damit sehr ergotzte. Schon, als Johannes noch ein Kind, pflegte Liscov bei jedem Besuch ihm irgend etwas Seltsames mitzubringen.

Empfing das Kind bald einen Apfel, der in hundert Stucke zerfiel, wenn er abgeschalt wurde, oder irgendein seltsam geformtes Backwerk, so wurde der erwachsene Knabe bald mit diesem, bald mit jenem uberraschenden Kunststuck aus der naturlichen Magie erfreut, so half der Jungling optische Maschinen bauen, sympathetische Tinten kochen usw. An der Spitze der mechanischen Kunsteleien, die der Orgelbauer fur den Johannes verfertigte, stand aber ein Positiv mit achtfussigem Gedackt, dessen Pfeifen von Papier geformt, das mithin jenem Kunstwerk des alten Orgelbauers aus dem siebzehnten Jahrhundert, Eugenius Casparini geheissen, glich, welches in der kaiserlichen Kunstkammer in Wien zu sehen. Liscovs seltsames Instrument hatte einen Ton, dessen Starke und Anmut unwiderstehlich hinriss, und Johannes versichert noch, dass er niemals darauf spielen konnen, ohne in die tiefste Bewegung zu geraten, und dass ihm dabei manche wahrhaft fromme Kirchenmelodie hell aufgegangen. —

Auf diesem Positiv musste Johannes nun dem Orgelbauer vorspielen. Nachdem er, wie Liscov verlangt, ein paar Chorale gespielt, fiel er in den Hymnus:»Misericordias Domini cantabo«, den er vor wenigen Tagen gesetzt. – Da Johannes geendet, so sprang Liscov auf, druckte ihn sturmisch an die Brust, rief laut lachend:»Hasenfuss, was foppst Du mich mit Deiner lamentablen Cantilena? War' ich nicht immer und ewig Dein Kalkant gewesen, nichts Vernunftiges hattest Du jemals herausgebracht. – Aber nun renne ich fort, und lasse Dich im Stich ganz und gar, und Du magst Dir in der Welt einen andern Kalkanten suchen, der es mit Dir so gut meint als ich!«– Dabei standen ihm die hellen Tranen in den Augen. Er sprang zur Ture hinaus, die er sehr heftig zuschlug. Dann steckte er aber nochmals den Kopf hinein und sprach sehr weich:»Es kann nun einmal nicht anders sein. – Adieu Johannes! – Wenn der Oheim seine rotgeblumte Gros de Tours Weste vermisst, so sage nur, ich hatte sie gestohlen, und liesse mir daraus einen Turban machen, um dem Gross-Sultan vorgestellt zu werden! – Adieu Johannes!«– Kein Mensch konnte begreifen, warum Herr Liscov so plotzlich die angenehme Stadt Gonionesmuhl verlassen, warum er niemanden entdeckt, wohin er sich zu wenden entschlossen.

Der Oheim sprach:»Langst hab' ich vermutet, dass der unruhige Geist sich auf und davon machen wurde, denn er halt es, unerachtet er schone Orgeln verfertigt, doch nicht mit dem Spruch: Bleibe im Lande und nahre dich redlich! – Es ist nur gut, dass unser Flugel im Stande; nach dem uberspannten Menschen selbst frag' ich nicht viel!«– Anders dachte wohl Johannes, dem Liscov uberall fehlte, und dem nun ganz Gonionesmuhl ein totes, dustres Gefangnis dunkte.

So kam es, dass er den Rat des Orgelbauers befolgen, und sich in der Welt einen andern Kalkanten suchen wollte. Der Oheim meinte, da er seine Studien vollendet, konne er in der Residenz sich unter den Fittich des Geheimen-Legationsrates begeben und vollends ausbruten lassen. – Es geschah so! —

– In diesem Augenblick argert sich gegenwartiger Biograph uber alle Massen, denn indem er an den zweiten Moment aus Kreislers Leben kommt, von dem er Dir, geliebter Leser, zu erzahlen versprochen, namlich, wie Johannes Kreisler den wohlerworbenen Posten eines Legationsrates verlor, und gewissermassen aus der Residenz verwiesen wurde, wird er gewahr, dass alle Nachrichten, die ihm daruber zu Gebote stehen, armlich, durftig, seicht, unzusammenhangend sind. —

Es genugt indessen am Ende wohl, zu sagen, dass, bald nachdem Kreisler in die Stelle seines verstorbenen Oheims getreten, und Legationsrat geworden, ehe man sich's versah, ein gewaltiger gekronter Koloss den Fursten in der Residenz heimsuchte, und ihn als seinen besten Freund so innig und herzlich in seine eisernen Arme schloss, dass der Furst daruber den besten Teil seines Lebensatems verlor. Der Gewaltige hatte in seinem Tun und Wesen etwas ganz Unwiderstehliches, und so kam es, dass seine Wunsche befriedigt werden mussten, sollte auch, wie es wirklich geschah, daruber alles in Not und Verwirrung geraten. Manche fanden die Freundschaft des Gewaltigen etwas verfanglich, wollten sich wohl gar dagegen auflehnen, gerieten aber selbst daruber in das verfangliche Dilemma, entweder die Vortrefflichkeit jener Freundschaft anzuerkennen, oder ausserhalb Landes einen andern Standpunkt zu suchen, um vielleicht den Gewaltigen im richtigeren Licht zu erblicken.

Kreisler befand sich unter diesen.

Trotz seines diplomatischen Charakters hatte Kreisler geziemliche Unschuld konserviert, und eben deshalb gab es Augenblicke, in denen er nicht wusste, wozu sich entschliessen. Eben in einem solchen Augenblick erkundigte er sich bei einer hubschen Frau in tiefer Trauer, was sie uberhaupt von Legationsraten halte? Sie erwiderte vieles in zierlichen, artigen Worten; am Ende kam aber so viel heraus, dass sie von einem Legationsrat gar nicht viel halten konne, sobald er sich auf enthusiastische Weise mit der Kunst beschaftige, ohne sich ihr ganz zuzuwenden.

«Vortrefflichste der Witwen«, sprach darauf Kreisler,»ich reisse aus!«

Als er bereits Reisestiefel angezogen und mit dem Hute in der Hand sich empfehlen wollte, nicht ohne Ruhrung und gehorigen Abschiedsschmerz, steckte ihm die Witwe den Ruf zur Kapellmeisterstelle bei dem Grossherzog, der das Landchen des Fursten Irenaus verspeist, in die Tasche.

Kaum ist es notig, hinzuzufugen, dass die Dame in Trauer niemand anders war, als die Ratin Benzon, die eben des Rates verlustig geworden, da der Gemahl verstorben.

Merkwurdigerweise trug es sich zu, dass die Benzon eben zu der Zeit als —

(M. f. f.) – Ponto geradezu auf das Brot und Wurste feilhaltende Madchen loshupfte, die mich, da ich freundlich bei ihr zulangte, beinahe tot geschlagen.»Mein Pudel Ponto, mein Pudel Ponto, was tust du, nimm dich in acht, hute dich vor der herzlosen Barbarin, vor dem rachedurstenden Wurstprinzip!«– So rief ich hinter Ponto her – ohne auf mich zu achten, setzte er aber seinen Weg fort – und ich folgte in der Ferne, um, sollte er in Gefahr geraten, mich gleich aus dem Staube machen zu konnen. – Vor dem Tisch angekommen, richtete sich Ponto auf den Hinterfussen in die Hohe – und tanzelte in den zierlichsten Sprungen um das Madchen her, die sich daruber gar sehr erfreute. Sie rief ihn an sich, er kam, legte den Kopf in ihren Schoss, sprang wieder auf, bellte lustig, hupfte wieder um den Tisch, schnupperte bescheiden, und sah dem Madchen freundlich in die Augen.

«Willst du ein Wurstchen, artiger Pudel?«So fragte das Madchen, und als nun Ponto anmutig schwanzelnd laut aufjauchzte, nahm sie zu meinem nicht geringen Erstaunen eine der schonsten, grossten Wurste, und reichte sie dem Ponto dar. Dieser tanzte wie zur Danksagung noch ein kurzes Ballett, und eilte dann zu mir mit der Wurst, die er mit den freundlichen Worten hinlegte:»Da, iss, erquicke dich Bester!«Nachdem ich die Wurst verzehrt, lud mich Ponto ein, ihm zu folgen, er wolle mich zuruckfuhren zum Meister Abraham.

Wir gingen langsam nebeneinander her, so dass es uns nicht schwer fiel, wandelnd, vernunftige Gesprache zu fuhren.

«Ich seh' es wohl ein«, (so begann ich die Unterredung)»dass du, geliebter Ponto, es viel besser verstehst, in der Welt fortzukommen, als ich. Nimmermehr wurd' es mir gelungen sein, das Herz jener Barbarin zu ruhren, welches dir so ungemein leicht wurde. Doch verzeih! – In deinem ganzen Benehmen gegen die Wurstverkauferin lag doch etwas, wogegen mein innerer mir angeborner Sinn sich auflehnt. Eine gewisse unterwurfige Schmeichelei, ein Verleugnen des Selbstgefuhls, der edleren Natur – nein! guter Pudel, nicht entschliessen konnte ich mich, so freundlich zu tun, so mich ausser Atem zu setzen mit angreifenden Manovers, so recht demutig zu betteln, wie du es tatest. Bei dem starksten Hunger, oder wenn mich ein Appetit nach etwas Besonderem anwandelt, begnuge ich mich, hinter den Meister auf den Stuhl zu springen, und meine Wunsche durch ein sanftes Knurren anzudeuten. Und selbst dies ist mehr Erinnerung an die ubernommene Pflicht, fur meine Bedurfnisse zu sorgen, als Bitte um eine Wohltat.«

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