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Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра
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«Ihr seid nicht klug«, sprach der Ernste,»Ihr seid wahrhaftig nicht klug, Professor. Nimmermehr leide ich, dass Ihr dem Kater, den ich schon jetzt herzlich lieb gewonnen, ohne das Gluck seiner nahern Bekanntschaft zu geniessen, dass Ihr ihm nur das geringste Leid zufugt. Am Ende muss ich glauben, dass Ihr eifersuchtig seid auf ihn, weil er Verse macht? Professor der Asthetik kann ja der kleine graue Mann niemals werden, daruber beruhigen Sie sich nur ganz. Steht es denn nicht deutlich in den uralten akademischen Statuten, dass, uberhand genommenen Missbrauchs halber, keine Esel mehr zur Professur gelangen sollen, und ist diese Verordnung nicht auch auf Tiere auszudehnen von jeder Art und Gattung, mithin auch auf Kater?«

«Mag es sein«, sprach der Professor unmutig,»dass der Kater niemals weder Magister legens, noch Professor der Asthetik, werden wird, als Schriftsteller tritt er doch auf uber kurz oder lang, findet der Neuheit wegen Verleger und Leser, schnappt uns gute Honorare weg – «

«Ich finde«, erwiderte der Ernste,»durchaus keine Ursache, warum dem guten Kater, dem aimablen Liebling unsers Meisters, es verwehrt sein solle, eine Bahn zu betreten, auf der sich so viele ohne Rucksicht auf Kraft und Haltung umhertummeln. Die einzige Massregel, die dabei zu beobachten, ware, dass man ihn notigte, sich die spitzen Krallen verschneiden zu lassen, und das ware vielleicht das einzige, was wir jetzt gleich tun konnten, um sicher zu sein, dass er uns nie verwunde, wenn er ein Autor worden.«

Alle standen auf. Der Asthetiker griff nach der Schere. Man kann sich meine Lage denken, ich beschloss, mit Lowenmut anzukampfen gegen die Verunglimpfung, die man mir zugedacht; den ersten, der sich mir nahen wurde, zu zeichnen auf ewige Zeiten, ich rustete mich zum Sprunge, sowie der Korb geoffnet werden wurde.

In dem Augenblick trat Meister Abraham hinein, und voruber war meine Angst, die sich schon steigern wollte zur Verzweiflung. Er offnete den Korb, und noch ganz ausser mir, sprang ich mit einem Satz hinaus, und schoss dem Meister wild vorbei, unter den Ofen.

«Was ist dem Tiere widerfahren«, rief der Meister, die andern misstrauisch anblickend, welche da standen ganz verlegen und, vom bosen Gewissen geplagt, gar nicht zu antworten vermochten.

So bedrohlich auch meine Lage im Gefangnis war, doch empfand ich inniges Wohlbehagen daruber, was der Professor von meiner mutmasslichen Laufbahn sagte, sowie sein deutlich ausgesprochener Neid mich hochlich erfreute. Ich fuhlte schon das Doktorhutlein auf meiner Stirne, ich sah mich schon auf dem Katheder! – Sollten meine Vorlesungen denn nicht am haufigsten besucht werden von der wissbegierigen Jugend? – Sollte wohl ein einziger Jungling, von milden Sitten, es ubel deuten konnen, wenn der Professor bate, keine Hunde ins Kollegium zu bringen? – Nicht alle Pudel hegen solch freundlichen Sinn, wie mein Ponto, und dem Jagervolk mit langen hangenden Ohren ist nun vollends gar nicht zu trauen, da sie uberall mit den gebildetsten Leuten meines Geschlechts unnutze Handel anfangen und sie mit Gewalt notigen, zu den unartigsten Ausserungen des Zorns, als da ist Prusten – Kratzen – Beissen usw. usw.

Wie hochst fatal musst' es —

(Mak. Bl.) – nur der kleinen rotwangigen Hofdame gelten, die Kreisler bei der Benzon gesehen.»Tun Sie mir«, sprach die Prinzessin,»den Gefallen, Nannette, gehen Sie selbst herab, und sorgen Sie, dass man die Nelkenstocke in meinen Pavillon trage, die Leute sind saumselig genug, um nichts auszurichten.«– Das Fraulein sprang auf, verbeugte sich sehr zeremonios, flog dann aber schnell zum Zimmer heraus, wie ein Vogel, dem man den Kafig geoffnet.

«Ich kann«, wandte sich die Prinzessin zum Kreisler,»nun einmal nichts herausbringen, wenn ich nicht mit dem Lehrer allein bin! der den Beichtvater vorstellt, dem man ohne Scheu alle Sunden vertrauen kann. Uberhaupt werden Sie, lieber Kreisler, die steife Etikette bei uns seltsam, werden es lastig finden, dass ich uberall von Hofdamen umgeben, gehutet werde wie die Konigin von Spanien. – Wenigstens sollte man hier in dem schonen Sieghartshof mehr Freiheit geniessen. Ware der Furst im Schlosse, ich hatte Nannette nicht fortschicken durfen, die sich selbst bei unseren musikalischen Studien ebensosehr langeweilt, als sie mich geniert. – Fangen wir noch einmal an, jetzt wird es besser gehen.«– Kreisler, bei dem Unterricht die Geduld selbst, begann das Gesangstuck, welches die Prinzessin einzustudieren unternommen, von neuem, aber so sichtlich Hedwiga sich auch muhte, so viel Kreisler auch einhelfen mochte, sie verirrte sich in Takt und Ton, sie machte Fehler uber Fehler, bis sie glutrot im ganzen Gesicht aufsprang, an das Fenster lief, und hinausschaute in den Park. Kreisler glaubte zu bemerken, dass die Prinzessin heftig weine, und fand seinen ersten Unterricht, den ganzen Auftritt, etwas peinlich. Was konnte er Bessers tun, als versuchen, ob der feindliche, unmusikalische Geist, der die Prinzessin zu verstoren schiene, sich nicht bannen lasse eben durch Musik. Er liess daher allerlei angenehme Melodien fortstromen, variierte die bekanntesten Lieblingslieder in kontrapunktischen Wendungen und melismatischen Schnorkeln, so dass er zuletzt sich selbst daruber wunderte, wie er so charmant den Flugel zu spielen verstehe, und die Prinzessin vergass, samt ihrer Arie, und ihrer rucksichtslosen Ungeduld.

«Wie herrlich doch der Geierstein in der leuchtenden Abendsonne steht«, sprach die Prinzessin, ohne sich umzuwenden.

Kreisler war eben in einer Dissonanz begriffen, naturlicherweise musste er diese auflosen, und konnte daher nicht mit der Prinzessin den Geierstein und die Abendsonne bewundern.»Gibt's wohl einen reizendern Aufenthalt weit und breit, als unser Sieghartshof?«sprach Hedwiga lauter und starker als vorher. – Nun musste Kreisler wohl, nachdem er einen tuchtigen Schlussakkord angeschlagen, zu der Prinzessin an das Fenster treten, der Aufforderung zum Gesprach hoflich genugend.

«In der Tat, gnadigste Prinzessin«, sprach der Kapellmeister,»der Park ist herrlich, und ganz besonders ist es mir lieb, dass samtliche Baume grunes Laub tragen, welches ich uberhaupt an allen Baumen, Strauchern und Grasern sehr bewundere und verehre, und jeden Fruhling dem Allmachtigen danke, dass es wieder grun worden und nicht rot, welches in jeder Landschaft zu tadeln, und bei den besten Landschaften, wie z. B. Claude Lorrain oder Berghem, ja selbst bei Hackert, der bloss seine Wiesengrunde was weniges pudert, nirgends zu finden.»

Kreisler wollte weiter reden, als er aber in dem kleinen Spiegel, der zur Seite des Fensters angebracht, der Prinzessin totbleiches, seltsam verstortes Antlitz erblickte, verstummte er vor dem Schauer, der sein Inneres durcheiste.

Die Prinzessin unterbrach endlich das Schweigen, indem sie, ohne sich umzuwenden, immerfort hinausschauend, mit dem ruhrenden Ton der tiefsten Wehmut sprach:»Kreisler, das Schicksal will es nun einmal, dass ich Ihnen uberall wie von seltsamen Einbildungen geplagt – aufgeregt, ich mochte sagen, albern, erscheine, dass ich Ihnen Stoff darbieten soll, Ihren schneidenden Humor an mir zu uben. Es ist Zeit, Ihnen zu erklaren, dass, und warum Sie es sind, dessen Anblick mich in einen Zustand versetzt, der dem nervenerschutternden Anfall eines heftigen Fiebers zu vergleichen. Erfahren Sie alles! Ein offnes Gestandnis wird meine Brust erleichtern, und nur die Moglichkeit verschaffen, Ihren Anblick, Ihre Gegenwart zu ertragen. – Als ich Sie zum erstenmale dort im Park antraf, da erfullten Sie, da erfullte Ihr ganzes Betragen, mich mit dem tiefsten Entsetzen, selbst wusste ich nicht warum! – aber es war eine Erinnerung aus meinen fruhsten Kinderjahren, die plotzlich mit all' ihrem Schrecken in mir aufstieg, und die sich erst spater in einem seltsamen Traume deutlich gestaltete. An unserm Hofe befand sich ein Maler, Ettlinger geheissen, den Furst und Furstin sehr hoch hielten, da sein Talent wunderbar zu nennen. Sie finden auf der Galerie vortreffliche Gemalde von seiner Hand, auf allen erblicken Sie die Furstin, in dieser, jener Gestalt, in der historischen Gruppe angebracht. Das schonste Gemalde, dass die hochste Bewunderung aller Kenner erregt, hangt aber in dem Kabinet des Fursten. Es ist das Portrat der Furstin, die er, als sie in der hochsten Blute der Jugend stand, ohne dass sie ihm jemals gesessen, so ahnlich malte, als habe er das Bild aus dem Spiegel gestohlen. Leonhard, so wurde der Maler mit seinem Vornamen am Hofe genannt, muss ein milder guter Mensch gewesen sein. Alle Liebe, deren meine kindische Brust fahig, ich mochte kaum drei Jahre alt sein, hatte ich ihm zugewandt, ich wollte, er sollte mich nie verlassen. Aber unermudlich spielte er auch mit mir, malte mir kleine bunte Bilder, schnitt mir allerlei Figuren aus. Plotzlich, es mochte ein Jahr vergangen sein, blieb er aus. Die Frau, der meine erste Erziehung anvertraut, sagte mir mit Tranen in den Augen, Herr Leonhard sei gestorben. Ich war untrostlich, ich mochte nicht mehr in dem Zimmer bleiben, wo Leonhard mit mir gespielt. So wie ich nur konnte, entschlupfte ich meiner Erzieherin, den Kammerfrauen, lief im Schlosse umher, rief laut den Namen: Leonhard! Denn immer glaubt' ich, es sei nicht wahr, dass er gestorben, und er sei irgendwo im Schlosse versteckt. So begab es sich, dass ich auch an einem Abend, als die Erzieherin sich nur auf einen Augenblick entfernt, mich aus dem Zimmer schlich, um die Furstin aufzusuchen. Die sollte mir sagen, wo Herr Leonhard sei, und mir ihn wiederschaffen. Die Turen des Korridors standen offen, und so gelangte ich wirklich zur Haupttreppe, die ich hinauflief, und oben, auf gut Gluck, in das erste geoffnete Zimmer trat. Als ich mich nun umschaute, wurde die Ture, die, wie ich meinte, in die Gemacher der Furstin fuhren musste, und an die ich zu pochen im Begriff stand, heftig aufgestossen, und hinein sturzte ein Mensch in zerrissenen Kleidern, mit verwildertem Haar. Es war Leonhard, der mich mit furchterlich funkelnden Augen anstarrte. Totenbleich, eingefallen, kaum wiederzuerkennen, war sein Antlitz. ›Ach, Herr Leonhard‹, rief ich, ›wie siehst Du aus, warum bist Du so blass, warum hast Du solche gluhende Augen, warum starrst Du mich so an? – Ich furchte mich vor Dir! – O sei doch gut, wie sonst – male mir wieder hubsche bunte Bilder!‹ – da sprang Leonhard mit einem wilden wiehernden Gelachter auf mich los, – eine Kette, die um den Leib befestigt schien, klirrte ihm nach – kauerte nieder auf den Boden, sprach mit heiserer Stimme: ›Ha ha, kleine Prinzess, – bunte Bilder? – ja nun kann ich erst recht malen, malen – nun will ich Dir ein Bild malen und Deine schone Mutter! nicht wahr, Du hast eine schone Mutter? – Aber bitte sie, dass sie mich nicht wieder verwandelt – ich will nicht der elende Mensch Leonhard Ettlinger sein – der ist langst gestorben. Ich bin der rote Geier und kann malen, wenn ich Farbenstrahlen gespeist! – ja malen kann ich, wenn ich heisses Herzblut habe zum Firnis – und Dein Herzblut brauche ich, kleine Prinzess!‹ – Und damit fasste er mich, riss mich an sich, entblosste mir den Hals, mir war's, als sahe ich ein kleines Messer in seiner Hand blinken. Auf das durchdringende Angstgeschrei, das ich ausstiess, sturzten Diener hinein, und warfen sich her uber den Wahnsinnigen. Der schlug sie aber mit Riesenkraft zu Boden. In demselben Augenblick polterte und klirrte es aber die Treppe herauf, ein grosser, starker Mann sprang hinein mit dem lauten Ausruf: ›Jesus, er ist mir entsprungen! Jesus, das Ungluck! – Warte, warte, Hollenkerl!‹ – Sowie der Wahnsinnige diesen Mann gewahrte, schienen ihn plotzlich alle Krafte zu verlassen, heulend sturzte er zu Boden. Man legte ihm die Ketten an, die der Mann mitgebracht, man fuhrte ihn fort, indem er entsetzliche Tone ausstiess, wie ein gefesseltes, wildes Tier.

Sie mogen sich es denken, mit welcher verstorenden Gewalt dieser entsetzliche Auftritt das vierjahrige Kind erfassen musste. Man versuchte mich zu trosten, mir begreiflich zu machen, was wahnsinnig sei. Ohne dies ganz zu verstehen, ging doch ein tiefes, namenloses Grausen durch mein Inneres, das noch jetzt wiederkehrt, wenn ich einen Wahnsinnigen erblicke, ja wenn ich nur an den furchterlichen Zustand denke, der einer fortgesetzten ununterbrochenen Todesqual zu vergleichen. – Jenem Unglucklichen sehen Sie ahnlich, Kreisler, als waren Sie sein Bruder. Vorzuglich erinnert mich Ihr Blick, den ich oft seltsam nennen mochte, nur zu lebhaft an Leonhard, und dies ist es, was mich, als ich Sie zum erstenmal erblickte, ausser Fassung brachte, was mich noch jetzt in Ihrer Gegenwart beunruhigt, beangstigt!«—

Kreisler stand da, tief erschuttert, keines Wortes machtig. Von je her hatte er die fixe Idee, dass der Wahnsinn auf ihn lauere, wie ein nach Beute lechzendes Raubtier, und ihn einmal plotzlich zerfleischen werde; er erbebte nun in demselben Grausen, das die Prinzessin bei seinem Anblick erfasst, vor sich selbst, rang mit dem schauerlichen Gedanken, dass er es gewesen, der die Prinzessin in der Raserei ermorden wollen.

Nach einigen Augenblicken des Schweigens fuhr die Prinzessin fort:»Der ungluckliche Leonhard liebte insgeheim meine Mutter, und diese Liebe, schon selbst Wahnsinn, brach zuletzt aus in Wut und Raserei.«

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